Ein Wertekompass soll das Verhältnis zu einem künftigen Koalitionspartner klären.

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Wien – Die SPÖ hat am Mittwoch ihre höchsten Parteigremien einberufen und sich auf einen sogenannten "Wertekompass", eine Mitgliederbefragung über einen etwaigen Koalitionsvertrag nach der Wahl sowie sieben inhaltliche Forderungen geeinigt, die ein künftiger Regierungspakt mit den Roten enthalten müsse. Der "Wertekompass", der unter dem Arbeitstitel "Kriterienkatalog" von einem Team rund um Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ausgearbeitet wurde, definiert grob sozialdemokratische Grundwerte, die in einer Koalition als Basis der Zusammenarbeit "vertraglich fixiert" und bei Nichteinhaltung "sanktioniert" werden sollen.

Die Pressekonferenz zum Wertekatalog und den Koalitionsbedingungen der SPÖ.
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Darüber hinaus will Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern mit folgenden Koalitionsbedingungen in die Nationalratswahl gehen:

  • 1.500 Euro Mindestlohn: Die Sozialdemokraten fordern einen Mindestlohn von 1.500 Euro für Vollzeitarbeit in allen Branchen. Außerdem sollen Einkommen bis 1.500 Euro brutto pro Monat steuerfrei gemacht werden. Das entspreche einer Steuerentlastung um mehr als 500 Euro jährlich für alle Steuerzahler, wird in einem roten Papier vorgerechnet.

  • Erbschaftssteuer: Unter dem Titel "Pflegeregress abschaffen" wärmen die Sozialdemokraten eine altbekannte Forderung auf: die Erbschaftssteuer. Finanziert durch eine "gerechte Erbschafts- und Schenkungssteuer" für Erbschaften über einer Million Euro soll der "Eigenregress" abgeschafft werden, damit sich Menschen künftig nicht mehr "fürchten" müssten, aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit Eigenheim und Erspartes zu verlieren.

  • Weniger Steuern auf Arbeit: Der Anteil der Einnahmen aus Steuern auf Arbeit soll gesenkt werden, ist dem Bedingungskatalog zu entnehmen. Konkreter wird die SPÖ diesbezüglich noch nicht. Finanziert werden soll die Entlastung jedenfalls dadurch, dass "die Steuerumgehungen von Großkonzernen gestoppt" werden und "auch Starbucks, Google & Co ihren fairen Anteil leisten". Darüber hinaus soll nicht länger zugelassen werden, dass der Sozialstaat durch "zunehmende Roboterisierung in Gefahr" komme. Die SPÖ hält hier auch fest, dass sie Sonderklagsrechten von Großkonzernen im Rahmen von Handelsabkommen nicht zustimmen werde.

  • Rechtsanspruch auf Ganztags-Kinderbetreuung: Ab dem vollendeten ersten Lebensjahr soll bis 2020 jedes Kind einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung haben, jedoch "freiwillig und ohne Zwang".

  • 5.000 Lehrer und 2.500 Polizisten: Durch die Bildungsreform, so steht es in dem Papier, seien zusätzliche Ressourcen in den Schulen nötig. In Summe sollen deshalb bis zum Jahr 2020 rund 5.000 neue Lehrer angestellt werden. Die angesprochene Bildungsreform, die Schulen in erster Linie zu mehr Autonomie verhelfen soll, scheitert derzeit allerdings noch an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Außerdem will die SPÖ – ebenfalls bis 2020 – 2.500 zusätzliche Polizisten "auf unseren Straßen" haben.

  • Pensionen: Etwas schwammig widmet sich die SPÖ dem Thema Pensionen. Man wolle die "demografischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte bewältigen" und "drohende Altersarmut" konsequent bekämpfen. "Schluss machen" möchten die Sozialdemokraten hingegen mit "staatlichen Luxuspensionen".

  • Volksabstimmung über Verwaltungsreform: Die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern sei zu kompliziert, das System gehöre "entflochten". Daher möchte die SPÖ über die moderne Verwaltung der Zukunft einen Diskussionsprozess "nach Schweizer Vorbild" anregen, an dessen Ende eine "verbindliche Volksabstimmung" stehen soll.

In ihrem "Wertekompass" bekennen sich die Sozialdemokraten unter anderem zur Bundesverfassung, der Europäischen Union und den Menschenrechten – keine Partei wird durch die gelisteten Grundwerte explizit ausgeschlossen. Der Beschluss über die Koalitionsbedingungen und die Mitgliederbefragung fiel dem Vernehmen nach einstimmig, beim "Wertekompass" soll es vier Gegenstimmen gegeben haben.

STANDARD-Kolumnist Hans Rauscher zum SPÖ-Katalog
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Kern betonte bei einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag, dass es richtig gewesen sei, die FPÖ in der Vergangenheit aufgrund vieler sachpolitischer Differenzen nicht als Koalitionspartner in Betracht zu ziehen. Nun wolle er nicht mehr über die Frage sprechen, "mit wem" die SPÖ künftig zusammenarbeitet, sondern unter welchen inhaltlichen Voraussetzungen sie das tue. "Jetzt liegt es in der Hand der FPÖ, ob sie aufs Spielfeld kommt oder nicht."

Ob eine Koalition dann mit den Freiheitlichen möglich wäre, beantwortete Bundeskanzler Christian Kern in der ZiB2: Die Blauen würden aus heutiger Sicht die Kriterien nicht erfüllen. Ausschlaggebend ist für Kern eine flächendeckende Kinderbetreuung mit Ganztagesbetreuungseinrichtungen. Diese unterstützen die Freiheitlichen derzeit nicht. Außerdem ist ein Bekenntnis für Vermögenssteuern für Kern entscheidend – eine Erbschaftssteuer. "Das dient uns zur Finanzierung der Abschaffung des Pflegeregresses. Dafür wollen wir eine klare Zusage. Denn vom Pflegeregress sind Mittelschichtfamilien betroffen, die das gesamte Erbe verlieren", erklärte der Kanzler Mittwochabend.

Kern im ZiB2-Interview.
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(Katharina Mittelstaedt, 15.6.2017)