Die Pläne für die Neugestaltung der Bibliothek der Johannes-Kepler-Universität in Linz wurden vor kurzem vom Architekturbeirat begutachtet.

Visualisierung: BIG

Elsa Prochazka fordert mehr Mut zu Beiräten, ...

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... Wolfgang Gleissner betont den qualitativen Gewinn dadurch.

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Vor zehn Jahren wurde der BIG-Architekturbeirat gegründet. BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner und die beiratsvorsitzende Architektin Elsa Prochazka reflektieren über Erfolge und Hoffnungen.

STANDARD: Der BIG-Architekturbeirat (BAB) wurde vor genau zehn Jahren gegründet. Was waren die Beweggründe, ihn einzurichten?

Gleissner: Mit der Zeit und mit den Projekten wird man leicht betriebsblind. Dem wirken wir mit dem Beirat entgegen. Er hält uns den Spiegel vor und ist ein Mittel zur Selbstreflexion, damit wir in unseren Prozessen noch besser werden und noch klarer kommunizieren.

STANDARD: Nach welchen Kriterien und Statuten gehen Sie im BAB vor?

Prochazka: Unsere wichtigste Aufgabe ist, immer wieder daran zu erinnern, dass die BIG als öffentlicher Auftraggeber auch eine gewisse kulturelle und gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt. Dazu gehört auch, dass man die Nutzerinnen und Nutzer schon in der Vorbereitung einbezieht.

Gleissner: Eine wichtige Aufgabe, die der BAB wahrnimmt, ist auch die Überlegung, zu welchem Projekt welches Verfahren der Planerfindung am besten passt.

STANDARD: Wie viele unterschiedliche Verfahren wendet die BIG denn bei ihren Projekten an?

Gleissner: Insgesamt haben wir seit Bestehen des BAB sechs verschiedene Verfahren angewandt, wobei mehr als die Hälfte aller Projekte über einen offenen, einstufigen Realisierungswettbewerb ausgelobt wurden.

STANDARD: Die BIG investiert jährlich 500 Millionen Euro in Neubauten und Sanierungen. Wie viel Prozent dieses Budgets marschieren über den Beiratstisch?

Gleissner: Seit 2007 haben wir zu 84 Großprojekten Planer gesucht, bei 68 davon haben wir das über den BAB gemacht.

Prochazka: Was ich generell kritisiere, ist, dass viele Projekte – nicht nur bei der BIG, sondern überhaupt – lediglich technisch saniert werden, wie es so schön heißt. Ich halte rein technische Sanierungen für zu kurz gegriffen. Was nützt es mir beispielsweise, wenn ich ein Schulgebäude technisch auf den neuesten Stand bringe, aber damit veraltete pädagogische Konzepte konserviere? Auch bei solchen Aufgaben darf man die kulturelle Gesamtverantwortung nicht außer Acht lassen.

Gleissner: Über 20 Prozent des Bauvolumens der BIG sind reine Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten, die in unseren 2200 Liegenschaften regelmäßig anfallen. Da sind viele Kleinstaufträge dabei. Dazu brauchen wir keinen Architekturbeirat.

STANDARD: Können Sie sich an ein konkretes Projekt erinnern, das durch den BAB maßgeblich beeinflusst wurde?

Gleissner: Da gab es viele. Spontan fällt mir das Schulzentrum Wien West ein, wo eine aufgelassene, denkmalgeschützte Kaserne ins Schulkonzept integriert wird. Da war der BAB sehr rigoros. Oder die Auslobung und Jurierung der Erweiterung der Johannes-Kepler-Universität in Linz. Ohne den BAB hätten sich diese zwei Projekte ganz anders entwickelt.

Prochazka: Ich bin nicht streng. Wir sind einfach sehr konsequent in unseren ausdiskutierten Grundhaltungen. Aber ich muss auch sagen, dass die BIG ein sehr guter Gesprächspartner ist, der auch vor Konflikten nicht zurückscheut.

STANDARD: Bei öffentlichen Bauprojekten passiert es immer wieder, dass Kosten und Zeitrahmen überschritten werden. Kann man diese Gefahr mit einem Architekturbeirat schmälern?

Gleissner: Nein. Ein Beirat ist dazu da, um in der Konzeptions- und Planungsphase eine hohe Architekturqualität zu sichern. Die Handschlag- und Ausführungsqualität auf der Baustelle ist ein anderes Kapitel.

Prochazka: Für mich ist der Beirat kein Konkurrenzkampf zwischen dem Berater und den Beratenen, sondern ein Gremium, in dem gemeinsam und auf Augenhöhe Probleme und Herausforderungen bestmöglich gelöst werden können. Ich denke, dass viele Planer und Architektinnen manchmal ein unscharfes Bild von Beiräten haben.

STANDARD: In Österreich gibt es gerade einmal 50 kommunale und einige weitere gewerbliche Architekturbeiräte. Warum nicht mehr?

Gleissner: Gute Frage. Ich kann nur so viel sagen: Der qualitative Gewinn aufgrund des Beirats ist klar sichtbar. Die Kosten sind gemessen daran ein verschwindend kleiner Teil.

STANDARD: Was können Sie den Kommunen und Unternehmen mit auf den Weg mitgeben?

Prochazka: Machen Sie! Tun Sie! Gerade kleinere Gemeinden, in denen der Bürgermeister die oberste Bauinstanz ist, verbunden mit Interessenkonflikten oder fachlicher Unsicherheit, können von einem unabhängigen Beirat – vielleicht im regionalen Zusammenschluss – nur profitieren. (Wojciech Czaja, 22.6.2017)