Wien – Sie habe einen Fehler gemacht, sagt Gerti Senger, seit gut 30 Jahren Kolumnistin und Autorin der Frage-Antwort-Rubrik "Lust und Liebe" in der "Kronen Zeitung": "Es tut mir leid."

Eine Zuschrift einer polnischen Putzfrau, die ihren Arbeitgeber "von Zeit zu Zeit" oral befriedigen muss und das "nicht will", wie es in der Frage heißt, beantwortet Senger in der am Dienstag erschienenen "Krone"-Rubrik so: "Leider werden Sie nicht nur für Ihre Arbeit bezahlt, Sie verkaufen auch sich selbst. Würden Sie das weiterhin tun, könnten Sie genauso viel, wenn nicht noch mehr, verdienen. Falls Sie das aber wirklich nicht wollen, müssen Sie sich mit etwas weniger Geld begnügen. Nur so könnten Sie Ihren Seelenfrieden und Ihre Selbstachtung retten."

Beschwerden beim Presserat

Durch ihre eigene Kürzung bei der Schilderung des Falls sei eine wesentliche Passage der Antwort gestrichen worden – nämlich jene, auf die sich der Titel bezieht: "Fußabstreifer". Senger habe auch die Frage der polnischen Putzfrau "missverständlich" umformuliert und gekürzt. Übrig geblieben ist ein Ratschlag, der in sozialen Medien seit Dienstag für heftige Kritik sorgt und zum Fall für den Presserat wird.

Bis Mittwoch am Nachmittag sind drei Beschwerden beim Selbstkontrollorgan der österreichischen Presse eingegangen, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Tenor der Kritik: Einem Opfer von sexueller Gewalt rät Senger, nicht so geldgierig zu sein.

Im Gespräch mit dem STANDARD räumt die Psychotherapeutin Fehler ein, das Ausmaß des Shitstorms habe sie aber "sprachlos" gemacht. So einen Fall werde sie künftig nicht mehr thematisieren. In dieser Kürze sei das nicht möglich. Nachdem "Vice" am Mittwoch den Artikel "Was zur Hölle geht eigentlich mit Gerti Senger?" veröffentlichte, hat sie dem Medium ihre Sicht der Dinge geliefert und folgende Erklärung geschickt, die auch dem STANDARD vorliegt.

Senger schildert den Fall

"Ich bedaure, dass ich die Frage der jungen Frau wegen der notwendigen Kürzung offenbar missverständlich formuliert habe. Die Frau handelt nämlich nicht gegen ihren Willen, sondern hat sich dazu entschlossen, nachdem ihr der Herr anstatt 12,- € die Stunde 40,- € bezahlt. Das auch, wenn sie das 'Extra' nicht erbringt. 'Von Zeit zu Zeit' heißt, dass sie de facto einmal wöchentlich aufräumt und etwa einmal im Monat den gemeinsam vereinbarten 'Liebesdienst' erbringt.

Im Übrigen wird sie zu dieser Vereinbarung nicht gezwungen, sie will ihn nicht aufgeben und einen anderen Job für den üblichen Stundenlohn von 12,- € ausüben. Dass sie nirgendwo 40,- €/h für Bedienung bekommt, ist eigentlich verständlich.

Ich habe die Anfrage deshalb 'Fußabstreifer' genannt, weil die Frau wörtlich schreibt: 'Er behandelt mich aber nicht wie einen Fußabstreifer. Wenn ich bei ihm zum Putzen bin, essen wir immer gemütlich miteinander, was er auch noch als Arbeitszeit verrechnet.'

Ich bemühe mich zwar grundsätzlich, sinnerhaltend und effizient zu kürzen, aber offenbar ist mir das hier nicht gelungen. Aus den verdichteten Zeilen ist nämlich nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber einsam ist und den wöchentlichen, hohen Stundenlohn auch deshalb bezahlt, weil der Kontakt zu dieser Frau für ihn wertvoll ist.

Es tut mir wirklich leid, dass in diesem speziellen Fall das Einkürzen einer immerhin ganzseitigen Schilderung so eine Erregung ausgelöst hat." (omark, 15.6.2017)