Durchbeißen, nix scheißen: Lebensberatung in drei Worten. Wilfried legt ein großartiges Album vor.

Foto: Astrid Knie

Wien – Schon die Songtitel verdeutlichen: Für Geschwätzigkeit ist kein Platz. Mir reicht's, Trottel, Lack. Aus dieser Verknappung resultiert eine Trockenheit, auf dem der Humor des Albums gedeiht. Doch bevor man sich daran zu sehr gewöhnt, schlägt Wilfried ein paar Haken, gönnt sich und uns eine kleine Ballade. Zum Beispiel Heute Pause. Da lehnt er sich zurück, so weit, dass er gerade noch nicht einpfeift. Das Schlagzeug wischt, der Beat auf Ruhepuls. In diese Komposition schmirgelt Wilfried Scheutz seine Befindlichkeit. Er sagt, er will heute nicht, bleibt mir kurz vom Leibe. Hart, aber herzlich.

Wilfried Scheutz ist mit seinem Vornamen eine österreichische Institution geworden. Er war und ist der große Außenseiter des Austro-Pop. Schon der Begriff Austro-Pop ging ihm wohin. Für sich hat er bloß zusammengeführt, was zusammengehörte: Volksmusik und Rock. Das ließ ihn noch als Kaulquappe seine erste Band gründen: die Provos.

Der Name der Band vermittelte bereits einen Hang zur Renitenz, die sich als beständiger Wesenszug des Musikers etablieren sollte und Wilfried bis heute als verlässlichen Neinsager positioniert. Nur einmal wurde er sich untreu. Da sagte er Ja zur Song-Contest-Teilnahme und fuhr seine Karriere fast gegen die Wand – unter tatkräftiger Unterstützung jener Medien, die ihm zuvor noch die Stiefel geleckt hatten. Das war im Jahre 1988, und das Lied hieß Lisa Mona Lisa.

Der Anfang mit "Ziwui"

Aber Wilfried machte einfach weiter – bis heute. Jetzt hat er wieder einmal ein Album veröffentlicht. Es heißt Gut Lack, und es ist ziemlich super. Lässig, witzig, schlau, ohne einen Anflug von missionierender Pädagogik.

Mit Ziwui Ziwui, das ihn in den 1970ern in die Charts ganz nach oben brachte und neben Wolfgang Ambros und Georg Danzer als wichtigsten Austro-Pop-Vertreter etablierte, hat er heute nichts mehr zu tun. Sieht man von der Direktheit ab, mit der er seine Lieder präsentiert. Und einen angetäuschten Landler streut er schon ein. Doch das besitzt heute eine andere Wertigkeit, ist nicht mehr exotisch, hat aber auch nichts mit dem sogenannten Volks-Rock-’n’-Roll des Unaussprechlichen zu tun.

Eingespielt hat Wilfried das Album mit seinem Sohn Hanibal, den kennt man von den 5/8erl in Ehr’n, und mit Carlos Barreto Nespoli von Sad Francisco sowie ein paar Gästen. Die Vertrautheit zwischen Vater und Sohn zeitigt eine Intimität, die den Songs eine besondere Atmosphäre verleiht. In der knappen, aber eloquenten Besetzung erblühen die Qualitäten des alten Haudegens.

Die Orgel mit Gefühl

Kein Thema ist ein sturer Rocker, den Wilfried mit Wirtshaushumor aufbricht. "I find kein Thema, kreizkruzifix." Manche Songs haben ihre geistige Heimat im Blues, auch wenn sie, wie in 17 Grad, von einer Geige transportiert werden, die bei keinem Heurigen stören würde. Lack, das Titelstück, wird von einer aus dem Soul entliehenen Orgel mit zusätzlichem Gefühl überzogen, während Wilfried – mit autobiografischem Input – Widersprüche und Ansprüche formuliert.

Apropos Autobiografie. Da gibt es das Lied Trottel. Darin reflektiert Wilfried mit Schmäh und Quetsche falsche Entscheidungen, ohne einen Millimeter an die Verbitterung oder die Wehleidigkeit abzutreten. Falsche Entscheidungen? Ja, scheiße, aber so ist das Leben, das sollte man nicht mit Bedauern vergeuden.

Dem an einer Krebserkrankung laborierenden 66-Jährigen gelingt mit Gut Lack ein brillantes Alterswerk. Durchbeißen, nix scheißen. Lebensberatung in drei Worten, und ein breites Grinsen gibt’s gratis dazu. An manchen Stellen wäre vielleicht eine etwas breitere Instrumentierung schön gewesen. So wie die fette Orgel im Lied Wieder da von seinem letzten Album Tralalala, aber das ist nur Kleingeld.

Charme der Entschlackung

Denn aus diesen entschlackten Songs entwickelt sich ein Werk, das in seinen Einzelteilen genauso überzeugt wie in seiner Gesamtheit. Und man muss lange suchen, um das über jemanden sagen zu können, der so lange der grassierenden Wehleidigkeit des Austro-Pop ausgesetzt war. Allein das ist schon eine Leistung. Ad multos annos! (Karl Fluch. 16.6.2017)