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Andacht während Putins der TV-Audienz.

Foto: REUTERS/Sergei Karpukhin

Für ein Mal stand nicht die Außenpolitik an erster Stelle bei der 15. Auflage der traditionellen TV-Fragestunde für Russlands Präsident Wladimir Putin. Aktuelle wirtschaftliche und soziale Probleme drückten die Fragesteller wesentlich stärker, und so begann Putin seine Audienz mit einer optimistischen Einschätzung: "Objektive Daten zeigen uns, dass die Rezession vorbei ist und wir in eine Wachstumsphase eingetreten sind." In den ersten vier Monaten habe das Wirtschaftswachstum 0,7 Prozent betragen, Investitionen in das Grundkapital seien sogar um 2,3 Prozent gestiegen, was auf eine anstehende Beschleunigung beim Wachstum hindeute.

Die meisten Russen haben davon noch nichts mitbekommen – wie Putin selbst eingestand, als er die sinkenden Reallöhne erwähnte -, und so drehten sich die meisten Fragen um das zu geringe Einkommen von Lehrern, Krankenschwestern und Feuerwehrleuten, die medizinische Versorgung, die demografischen Probleme und die schlechten Wohnverhältnisse.

Vier Stunden TV-Präsenz

Obwohl Putin die TV-Fragestunde eigener Aussage nach zum Aufspüren allgemeiner gesellschaftlicher Stimmungen und nicht zur Lösung von Einzelproblemen nutzen wollte, pendelte er in der über vierstündigen Veranstaltung zumeist zwischen Seelsorger und Rettungshelfer für die Fragesteller – unter anderem eine Krebskranke –, während der Moderator bloß Stichwortgeber war.

Er sei zum Dialog mit denjenigen bereit, die eine Verbesserung der Lage anstrebten, sagte Putin dann. Wer jedoch mit vorhandenen Problemen spekuliere, um PR in eigener Sache zu betreiben, mit dem werde er sich nicht an einen Tisch setzen, spielte er auf den arrestierten Oppositionellen Alexej Nawalny an, ohne dessen Namen zu nennen.

Außenpolitisch tat Putin die geplanten neuen US-Sanktionen als innenpolitischen Machtkampf ab – und als einen solchen bezeichnete er auch die Ermittlungen um die Russland-Connections von Donald Trump. Den gefeuerten FBI-Chef James Comey verglich Putin dabei ironisch mit dem Whistleblower Edward Snowden.

Putin witzelt über Asyl für Ex-FBI-Chef

Schließlich habe auch Comey Material, für dessen Geheimhaltung er eigentlich verantwortlich war, der Presse gesteckt. Er sei bereit, auch Comey Asyl zu gewähren, witzelte der Kreml-Chef. Die Vorwürfe einer Einmischung in den US-Wahlkampf wies Putin zurück und ging dabei erneut in den Gegenangriff über: Nicht Russland, sondern die USA mischten sich überall ein, erklärte er.

Auch Syrien und die Ukraine wurden kurz erwähnt, wobei Putin überraschend offen Syrien als Versuchsgelände für die russische Rüstungsindustrie und das Militär charakterisierte, die durch den Einsatz "unschätzbare" Erfahrung gewonnen hätten. (André Ballin aus Moskau, 16.6.2017)