Kern stellte vor Journalisten am Donnerstag klar, dass auch er nicht auf der Erbschaftssteuer als Finanzierung der Abschaffung des Pflegeregresses beharre. Andere "vermögensbezogene" Steuern seien denkbar.

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Wien – Auf klare Verhältnisse, wer mit wem will und kann, werden die Österreicherinnen und Österreicher bis nach der Wahl im Oktober warten müssen – daran ändert auch nichts, dass die Sozialdemokraten die Freiheitlichen jetzt nicht mehr "pauschal" als Regierungspartner ausschließen. Von der sogenannten "Vranitzky-Doktrin", dem jahrzehntelang gültigen Mantra des damaligen Kanzlers Franz Vranitzky, dass Rot und Blau nicht zusammenpassen, ist SPÖ-Chef Christian Kern nun zwar abgerückt, euphorisch wird er bei dem Thema dennoch nicht: "Aus heutiger Sicht erfüllt die FPÖ unsere Bedingungen nicht", beteuert der Kanzler vor Journalisten am Donnerstag.

2,3 Milliarden für Steuerentlastung

Konkret haben die höchsten Parteigremien der SPÖ am Mittwoch einen "Wertekompass" mit roten Grundsatzhaltungen sowie sieben inhaltliche Koalitionsbedingungen für die kommende Legislaturperiode abgesegnet. In einem Regierungspakt, den die rote Basis zur Abstimmung vorgelegt bekommt, müssten demnach zumindest die folgenden Punkte enthalten sein:

Weniger Steuern auf Arbeit Der Anteil der Einnahmen aus Steuern auf Arbeit soll gesenkt werden, ist dem SPÖ-Bedingungskatalog zu entnehmen. Finanziert werde die Entlastung dadurch, dass "Steuerumgehungen von Großkonzernen gestoppt" werden und "auch Starbucks, Google & Co ihren fairen Anteil leisten".

1.500 Euro Mindestlohn Die Sozialdemokraten fordern einen Mindestlohn von 1500 Euro für Vollzeitarbeit in sämtlichen Branchen. Außerdem sollen bis 1500 Euro brutto pro Monat alle Einkommen steuerfrei gemacht werden. Das entspreche einer Steuerentlastung um mehr als 500 Euro jährlich für jeden Steuerzahler und verursache dem Staat Kosten in der Höhe von 2,3 Milliarden Euro, rechnen die Roten vor.

Pflegeregress und Erbschaftssteuer Die Koalitionsbedingung, den Pflegeregress abzuschaffen, garniert die SPÖ mit einer altbekannten Forderung: der Erbschaftssteuer. Finanziert durch eine Abgabe für Erbschaften von mehr als einer Million Euro, soll der "Eigenregress" fallen, damit sich Menschen künftig nicht mehr "fürchten" müssten, aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit Eigenheim und Erspartes zu verlieren. Die Roten gehen davon aus, dass die Abschaffung des Pflegeregresses rund 200 Millionen Euro koste. Durch eine Erbschaftssteuer könnten etwa 500 Millionen Euro eingenommen werden, sind die Sozialdemokraten überzeugt. In einem Hintergrundgespräch stellt Kern jedoch klar: Wenn eine Finanzierung durch eine andere vermögensbezogene Steuer gefunden wird, sei das ebenfalls "in Ordnung". Auch der designierte ÖVP-Chef Sebastian Kurz will im Herbst einen Vorschlag für eine Pflegereform präsentieren.

Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung Geht es nach Kern, soll bis 2020 ab dem vollendeten ersten Lebensjahr jedes Kind einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung haben, jedoch "freiwillig und ohne Zwang". Die Kosten dafür beziffert die SPÖ mit 250 Millionen Euro.

Mehr Lehrer und Polizisten Darüber hinaus sollen bis 2020 rund 5.000 neue Lehrer und 2.500 Polizisten angestellt werden.

Pensionen Etwas schwammig widmet sich die SPÖ dem Thema Pensionen. Man wolle die "demografischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte bewältigen" und "drohende Altersarmut" konsequent bekämpfen. "Schluss machen" möchten die Sozialdemokraten hingegen mit "staatlichen Luxuspensionen".

Volksabstimmung über Verwaltungsreform Die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern sei zu kompliziert, das System gehöre "entflochten". Daher möchte die SPÖ über die moderne Verwaltung der Zukunft einen Diskussionsprozess "nach Schweizer Vorbild" anregen, an dessen Ende eine "verbindliche Volksabstimmung" stehen soll.

"Mitte-links-Handschrift"

Die Freiheitlichen müssten nun selbst entscheiden, ob sie diesen Punkten zustimmen und "aufs Spielfeld kommen", wie Kern sagt. Er sehe allerdings auch Probleme mit den Blauen bezüglich des anderen Papiers: Im roten "Wertekompass" wird keine Partei explizit ausgeschlossen, die Sozialdemokraten bekennen sich dort etwa zur Bundesverfassung, zur Europäischen Union, zu Menschenrechten und Antidiskriminierung. "Die europapolitische Position der FPÖ hinterlässt bis heute erhebliche Fragezeichen", sagt Kern. Auch die "Ehe für alle" sei ein wichtiger Akt gegen Ungleichbehandlung von Lesben und Schwulen, der von der FPÖ nicht mitgetragen werde.

Kern in der "ZiB 2" am Mittwoch.
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Selbst sieht der Kanzler sein Programm als eines mit "Mitte-links-Handschrift". Kerns "oberste Priorität" sei es weiterhin, nach der Wahl eine "progressive Mehrheit" zu erlangen – was wieder eher nach Rot-Grün-Pink klingt. (Katharina Mittelstaedt, 15.6.2017)