Das Innsbrucker Pilotprojekt bietet Kindern mit Fluchtgeschichte einen sicheren Rückzugsraum.

Foto: SOS-Kinderdorf

Innsbruck – Medina Ortner lässt Seifenblasen durchs Zimmer schweben. Gebannt verfolgt ein Dutzend kleiner, strahlender Kinderaugen die fragilen Flugobjekte. Ein Moment unbeschwerter Kindheit, der nicht selbstverständlich ist. Denn die kleinen Zuseher sind die jüngsten Bewohner der Flüchtlingsheime in und um Innsbruck.

Seit März 2016 bietet die SOS-Kinderwelt in der Tschamlerstraße nahe dem Südring einen geschützten Raum für Kinder, die flüchten mussten. Idee und Initiative dazu kamen von der Tiroler Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf. "Pro Woche werden an drei Nachmittagen Gruppen zu je 20 Kindern von ausgebildeten Pädagoginnen betreut", erklärt Wolfram Brugger, Leiter von SOS-Kinderdorf Innsbruck. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf rund 90.000 Euro jährlich. Anfangs hat die Hilfsorganisation diese allein getragen, mittlerweile sind das Land Tirol sowie private Förderer, wie der Rotary Club oder auch die Firma Lego, miteingestiegen. Bis einschließlich 2018 ist der Betrieb in der SOS-Kinderwelt damit finanziell abgesichert.

Großer Andrang, begrenzte Plätze

Der Andrang ist enorm. Seit dem Projektstart wurden rund 500 Besucher betreut. Neben den Kindern selbst können sich auch deren Angehörige bei Kaffee und Kuchen austauschen oder Zusatzangebote wie Deutschkurse in Anspruch nehmen. Der Wunsch dazu kam vonseiten der Eltern, die die Zeit, in der ihre Kinder betreut sind, besser nutzen wollten.

Medina Ortner ist eine der beiden Pädagoginnen, und sie ist selbst Muslimin mit Migrationshintergrund. Als Kind ist sie mit ihren Eltern aus Bosnien geflohen. Daher kann sie sich gut in die Lage der Kleinen versetzen: "Die meisten schreien förmlich nach Struktur. Die meisten von ihnen kommen aus einem sehr kultivierten und strukturierten Kulturkreis, dem Orient. Der Heimalltag hat diese Strukturen zerstört."

Gerade ältere Kinder bringen oft die Kriegsdynamiken aus ihren Heimatländern mit. Sie wissen dann beispielsweise, dass sie eine gewisse Ethnie oder Angehörige einer Religion nicht mögen, aber nicht, warum. Im gemeinsamen Spiel werden solche festgefahrenen Muster durchbrochen. Die Kinder dürfen wieder Kinder sein. Auch Geschlechterrollen werden spielerisch hinterfragt.

Land für Initiative dankbar

Für Johann Gstir von der Abteilung Integration des Landes ist die Kinderwelt ein wertvoller Beitrag: "Bei Kindern kann man viel erreichen. Wir sorgen für die Unterbringung und Verpflegung, aber darüber hinaus haben wir in den Heimen wenig Möglichkeiten." Auch in Schulen und Kindergärten sei man dankbar, wenn die Kinder bereits eine gewisse "Sozialisation" erfahren hätten, bevor sie starten, so Gstir.

Die Plätze in der Kinderwelt sind ausgebucht. Nur für Notfälle sind kurzfristige Aufnahmen möglich. "Es gäbe Bedarf für drei Kinderwelten allein in Innsbruck", sagt Brugger. Das Land überlegt, das Konzept an weiteren Standorten zu übernehmen, und auch die Stadt Wien habe bereits Interesse daran bekundet. (Steffen Arora, 19.6.2017)