Diese Woche misst sich die Mountainbike-Elite, wie der Kolumbianer Marcelo Gutiérrez, beim Crankworx-Festival in Innsbruck.

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Der Kurs für den Slopestyle und den Dual Speed & Style steht bereit. Nordkette-Panorama inklusive.

Foto: TVB Innsbruck

Der Pumptrack an der Talstation Mutters ist eine der Infrastrukturen des Festivals, die für die weitere Nutzung erhalten bleiben.

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Innsbruck – An der Talstation der Mutterer Bergbahn türmen die Bagger seit Wochen gewaltige Kicker auf. Am kommenden Sonntag werden hier Brett Rheeder, Emil Johansson und Co den programmatischen Höhepunkt jedes Crankworx-Festivals bestreiten – den Slopestyle-Contest. Dabei geht es darum, mit dem Fahrrad auf einem mit großen Schanzen gespickten Kurs möglichst schwierige und spektakuläre Sprünge mitsamt den technischen Tricks zu zeigen.

Der Startschuss zum ersten Crankworx-Festival auf heimischem Boden erfolgt am Mittwoch mit dem Whip-off an der Bergstation in Mutters. Dabei wird ermittelt, wer sein Bike in der Luft am schönsten und längsten querstellen kann. Fünf Tage lang wird die Elite der Gravity-Mountainbiker – also jener Radfahrer, die sich für ihren Sport der Hilfe der Schwerkraft bedienen – in Innsbruck ihre Show abliefern. Was heute als Sportgroßveranstaltung wahrgenommen wird, hat 2004 als Marketingkonzept in Whistler im kanadischen British Columbia begonnen.

Für die Mountainbike-Szene ist Crankworx ein jährliches Highlight. Dass dahinter Marketing der Industrie steht, ist ist kein Grund, sich den Spaß verderben zu lassen, wie dieses nicht ganz ernst gemeinte Video beweist.
Matt and Jason

"In den späten 1990ern gab es in Whistler eine ganze Reihe von kleineren bis mittleren Bikefestivals", erklärt Darren Kinnaird, CEO von Crankworx, die Historie der Großveranstaltung. Um dem Wildwuchs ein Ende zu bereiten und das Potenzial, das bereits in dem damals in Nordamerika aufkommenden Sport steckte, für touristische Zwecke zu bündeln, haben sich die lokale Behörde, die Tourismuswirtschaft sowie die Betreiberfirma des Resorts Whistler Blackcomb zusammengetan und das Summer Gravity Festival ins Leben gerufen. So lautete der erste Name der heute als Crankworx bekannten Veranstaltung.

Tirol will auf den Mountainbikezug aufspringen

"Erklärtes Ziel des Events war es, die Destination Whistler als sommerliche Bikeregion für Urlauber zu vermarkten", sagt Kinnaird. Denn bis dahin war Whistler vor allem als Wintersportort bekannt und im Sommer praktisch ausgestorben. Eine Grundvoraussetzung, die erklärt, warum Crankworx nun in Tirol gelandet ist. Auch hier stagniert der Wintertourismus, der zugleich eine Haupteinnahmequelle der Region darstellt. Es müssen dringend brauchbare Konzepte für den Sommertourismus gefunden werden. Benachbarte Regionen wie Südtirol oder Graubünden sind in dieser Hinsicht bereits klar voraus und setzen seit Jahren erfolgreich auf Mountainbiker.

Am vergangenen Wochenende konnte Brett Rheeder den Slopestyle für sich entscheiden. Diesen Sonntag erfolgt die Neuauflage in Innsbruck.
Crankworx

Die Organisatoren von Crankworx hatten von Beginn an ein Franchise-Modell geplant. So versuchte man bereits 2007 einen Ableger des Festivals im US-amerikanischen Colorado zu etablieren. "Das lief nur bedingt gut, weil wir nicht selbst involviert waren", erklärt Kinnaird. Der Versuch endete 2011. Ein Jahr darauf wagte man den Sprung über den großen Teich. Schließlich ist der europäische Markt für Gravity Mountainbiking enorm groß. Großbritannien und Frankreich sind traditionelle Downhill-Nationen. Daher fiel die Wahl auf den französischen Wintersportort Les Deux Alpes.

Vom Einzelevent zur weltweiten Tour

Hier funktionierte das Franchise-Modell besser, da die Crew aus Whistler in die Organisation mit eingebunden wurde. "Seit Les Deux Alpes wachsen wir organisch", sagt Kinnaird. Es folgte 2015 der dritte Stopp der nunmehr weltweiten Crankworx Tour im neuseeländischen Rotorua. Dort erlebt der Mountainbike-Tourismus seitdem einen wahren Boom. Nachdem Les Deux Alpes verkehrstechnisch eher ungünstig liegt, wechselte man ab 2016 nach Les Gets, eine der beliebtesten Sommer-Bike-Destinationen der Briten in den französischen Alpen. Am vergangenen Wochenende ging das dortige Festival über die Bühne.

Zum Auftakt steht auch in Innsbruck der Whip-off-Contest auf dem Programm. Hier ein Video des Bewerbs vom Vorjahr in Whistler.
Crankworx

Nun rollt der Crankworx-Tross in Richtung Innsbruck. Mit der Tiroler Landeshauptstadt verfügt das Festival heuer erstmals über vier weltweite Stopps. Innsbruck gilt für die Mountainbikeindustrie als perfekter Ort, um den zentral- und osteuropäischen Markt zu bedienen. Die Stadt ist einfach erreichbar und bietet Urbanität mit direkter Anbindung an das Gebirge. Sprich tagsüber Wettbewerbe am Berg, abends Party in der Stadt. Ein Konzept, das schon beim "Air & Style"-Snowboardcontest, der hier erfunden wurde, bestens funktioniert hat. Zudem bietet Crankworx für Innsbruck die Chance, sich im Sommer das Mäntelchen der trendigen und jungen Sportstadt der Extreme umzuhängen, wie sie das auch im Winter tut.

Lokale Szene bleibt skeptisch

Gegen eine Franchisegebühr im fünfstelligen Eurobereich wurde man handelseins. Innsbruck stellt die Infrastruktur, Crankworx bringt die Fahrer, Sponsoren und Fachmedien. Die Einnahmen bleiben beim Gastgeber. Und auch die Infrastruktur bleibt erhalten und kann für touristische Zwecke genutzt werden. So entsteht auf der Mutterer Alm, wo das Festival stattfindet, seit dem Vorjahr sukzessive ein Bikepark. Noch hapert es zwar am qualitativ hochwertigen Angebot, aber das soll sich durch Crankworx ändern. Wobei die rasante Entwicklung von der Stadt der Mountainbikeverbote, als die Innsbruck szeneintern bisher galt, zum Austragungsort von Crankworx auch auf Kritik in der lokalen Community stößt.

Der nahm man sich seitens des Tourismusverbands, der als treibende Kraft hinter dem Festival auftritt, zwar mittels moderierter Treffen mit Szenevertretern an. Ganz ausräumen konnte man die Vorbehalte gegen den Event aber bis heute nicht. Daher werden diese Woche viele die Ereignisse mit Argusaugen verfolgen. Man befürchtet, die Bedürfnisse der lokalen Mountainbiker, die seit Jahrzehnten für legale Trails kämpfen, könnten im Streben nach touristischer Nutzung ins Hintertreffen geraten. Auf der anderen Seite waren diese jahrelangen Bemühungen eben erfolglos. Erst mit dem Interesse des Tourismus am Bikesport scheint in Tirol ein Umdenken möglich.

Pumptrack ist eine von fünf Disziplinen im Crankworx-Kanon. Hier die Highlights aus Les Gets vom vergangenen Wochenende.
Crankworx

Der Franchisevertrag zwischen Innsbruck und Crankworx wurde vorerst auf zwei Jahre abgeschlossen. "Natürlich würden wir gern langfristig hier bleiben", sagt Kinnaird, der die Region auch ausgiebig am Bike erkundet hat und ihr großes Potenzial attestiert. Doch das hängt sicherlich auch von der Akzeptanz vor Ort ab. Erst Anfang der Woche wetterte etwa Alpenvereins-Chef Andreas Ermacora in der Regionalpresse gegen Mountainbiker und erklärte seine generelle Ablehnung hinsichtlich des Sports: "Mit der Bahn rauf und dann Leute erschrecken? Da sind wir dagegen." Eine Aussage, die bei Touristikern wohl für Stirnrunzeln sorgt. Mit dieser Einstellung hätte sich Tirol wohl kaum je zum Mekka der Skifahrer entwickelt.

Crankworx als Wirtschaftsfaktor

Für die lokale Wirtschaft ist das größte Mountainbike-Festival der Welt wiederum ein willkommener Impuls. Man erwartet zur Premiere gut 10.000 Besucher. Als Rahmenprogramm werden Bike-Exkursionen in Tiroler Regionen wie Serfaus–Fiss–Ladis, Sölden und das Stubaital angeboten. Man will sich schließlich präsentieren. Abends finden Konzerte und Partys in Innsbruck statt. Die weltweite Übertragung des Events durch Red-Bull-TV bringt Medienpräsenz in Zielmärkten, die mit alpinem Skilauf nicht erreicht würden. Und die Entwicklung des Festivals in Whistler, wo mittlerweile jährlich an die 140.000 Besucher gezählt werden, spricht aus wirtschaftlicher Sicht für sich. Nach sechs Jahren war der Break-even erreicht. Mit einem Marketingkonzept wohlgemerkt.

Für die Zuseher ist Crankworx längst zur reinen Sportveranstaltung geworden. Und auch einige der Spitzenathleten fahren nur mehr diese Wettbewerbe. Sie lockt das satte Preisgeld, das hier winkt. Im Vergleich zum Weltcup bezahlt Crankworx nämlich sehr gut. So warten auf den Sieger der World Tour, also der Gesamtwertung aller vier Stopps, insgesamt rund 50.000 Dollar. Aus sportlicher Sicht ist interessant, dass es darauf ankommt, möglichst alle Spielarten des Gravitybikens zu beherrschen. Und so treffen hier Athleten aus verschiedenen Disziplinen aufeinander. Vom BMX-Fahrer bis zum Downhiller. Im Vorjahr krönte sich mit dem Tschechen Tomáš Slavík ein Fourcrosser zum King of Crankworx. Den Titel der Queen sicherte sich die US-Downhillerin Jill Kintner. In Innsbruck fehlt heuer noch die Disziplin Enduro. Doch das könnte sich bald ändern, da Crankworx Miteigentümer der Enduro World Series (EWS) ist und plant, künftig jeden Tourstopp mit einem EWS-Rennen zu verbinden. In Rotorua und Whistler ist dies bereits der Fall.

Das Crankworx-Festival Innsbruck startet am Mittwoch, 21. Juni. Der Eintritt zu sämtlichen Veranstaltungen – Whip-off, Pumptrack, Dual Speed & Style, Downhill sowie Slopestyle – ist frei. Hier die Links zum Detailprogramm und allen Liveübertragungen. (Steffen Arora, 20.6.2017)