Die Franzosen beherrschen die hohe politische Kunst, ihre eigenen Wahlresultate zu korrigieren. Im ersten Durchgang der Parlamentswahlen hatten sie La République en Marche (LRM) von Präsident Emmanuel Macron einen politischen Triumph verschafft, der diese bis zu 450 Abgeordnete erwarten ließ. Im zweiten Wahlgang vom Sonntag bremsten die Wähler Macrons Marsch durch die Institutionen wieder etwas ab: LRM erhält zusammen mit ihrem Juniorpartner Modem "nur" 350 Sitze. Für die absolute Mehrheit reicht es allemal.

Eine leichte Korrektur gegenüber dem ersten Wahlgang ist auch das Abschneiden der beiden Großparteien: Die Konservativen halten den Schaden mit 131 Abgeordneten in Grenzen, während die 29 Sozialisten wenigstens mühelos die Fraktionsstärke wahren.

Macron wird in der Nationalversammlung keinen nennenswerten Widerstand von dieser Seite zu gewärtigen haben: Sozialisten und Konservative sind intern zu zerstritten, um eine wirkungsvolle Opposition aufziehen zu können. Seine Hauptgegner in der neuen Legislaturperiode werden die Volkstribune Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon sein. Wer nach Macrons Präsidentenwahl bereits eine Ära der parteilos-rationellen Konsenspolitik kommen sah, muss seine Meinung ebenfalls korrigieren: Die politischen Leidenschaften sind in Frankreich bereits zurück – und mit ihnen die Populisten beider Seiten. (Stefan Brändle, 19.6.2017)