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Fred Hoyle, 1915–2001, Astronom, Mathematiker und Schriftsteller.

Foto: Epa

Himmelsdurchmusterung des Weltraumteleskops Wide-Field Infrared Survey Explorer.

Foto: NASA/JPL-Caltech/UCLA

Fred Hoyle war einer der wichtigsten und besten Astronomen des 20. Jahrhunderts. Seine Ideen waren genial und haben die Wissenschaft revolutioniert. Seine Ideen waren aber oft auch genial absurd und falsch.

Hoyle ist dafür verantwortlich, dass wir in den 1950ern gelernt haben, wo die Materie herkommt, aus der wir bestehen. Beim Urknall selbst entstanden ja nur Wasserstoff und Helium. All die anderen Atome, die wir im Periodensystem der Elemente finden, all die anderen Atome, aus denen die Erde, wir Menschen und alles um uns herum bestehen, gab es damals nicht. Sie mussten erst im Lauf der Zeit entstanden sein, aber niemand wusste, wie das genau abgelaufen sein könnte.

Standhafter Wissenschafter

Es war klar, dass die Kernfusion im Inneren der Sterne etwas damit zu tun haben muss. Dort können aus leichten Elementen wie eben dem überall vorhandenen Wasserstoff und Helium schwere Elemente gebildet werden – zum Beispiel der Kohlenstoff, der eine fundamentale Rolle in der Biochemie des Lebens spielt. Drei Helium-Atome könnten theoretisch zu Kohlenstoff fusionieren, nach allem, was man damals über die Atome wusste, war das aber nicht möglich. Die bei dieser Kernreaktion auftretenden Zwischenprodukte sind instabil und zerfallen zu schnell, um die Fusionskette abzuschließen.

Das wollte Hoyle aber nicht akzeptieren. Er stellte fest, dass die Reaktion stattfinden könnte, wenn Kohlenstoffatome auf eine ganz bestimmte Art und Weise angeregt werden könnten, also einen sehr speziellen Energiezustand besitzen würden. Von diesem Zustand wussten die Kernphysiker damals aber nichts. Hoyle blieb standhaft: Wenn die Welt offensichtlich voller Kohlenstoffatome ist und der einzige Weg, den Kohlenstoff zu erzeugen, diesen Energiezustand voraussetzt, dann muss es ihn auch geben. Und tatsächlich konnte genau dieser Zustand 1954 im Labor nachgewiesen werden.

"Big Bang" als Schmähbegriff

In diesem Fall hatte Fred Hoyle mit seiner überraschenden und unkonventionellen Vorhersage recht. Dank seiner Arbeit (und der seiner Kollegen Margaret Burbidge, Geoffrey Burbidge und William Alfred Fowler) wissen wir heute, wie Kohlenstoff im Inneren von Sternen und daraus die anderen schwereren Elemente erzeugt werden können. Auf anderen Gebieten der Astronomie lag er aber spektakulär daneben. In der Mitte des 20. Jahrhunderts waren viele Wissenschafter aufgrund der Erkenntnisse von Albert Einstein, George Lemâitre und Edwin Hubble davon überzeugt, dass das Universum einen Anfang hat und sich ausgehend von einem winzigen Punkt immer weiter ausdehnt. Hoyle hielt das für Unsinn und zögerte nicht, das auch öffentlich zu sagen. In einer Radiosendung der BBC im Jahr 1949 nannte er diese Hypothese abschätzig "Big Bang", um anzudeuten, wie absurd das Ganze sei.

Er selbst bevorzugte das "Steady-State-Universum", eine Hypothese, die er gemeinsam mit Hermann Bondi und Thomas Gold kurz zuvor entwickelt hatte. Auch hier expandiert das Universum – die entsprechenden Beobachtungsdaten konnte Hoyle nicht ignorieren –, aber in dem neuen Raum, der durch die Expansion entsteht, sollte laut Hoyle kontinuierlich Materie erzeugt werden. Der Kosmos würde sich also zwar ausdehnen, aber trotzdem immer in einem Zustand der Gleichförmigkeit verharren.

Aus damaliger Sicht war das eine durchaus seriöse Hypothese. Der Urknall war kaum durch Beobachtungsdaten belegt, und Hoyles Steady-State-Universum ließ sich nicht so einfach widerlegen. Erst als 1965 die kosmische Hintergrundstrahlung entdeckt und so eine sehr konkrete Vorhersage der Urknall-Kosmologie bestätigt wurde, spätestens aber, als in den 1990er-Jahren die ebenfalls vorhergesagten Variationen in der Hintergrundstrahlung gemessen wurden, war klar, dass Hoyle falsch lag. Die Urknall-Hypothese wurde zur Standardtheorie der Kosmologie und die abschätzige Bezeichnung von Hoyle zu einem wissenschaftlichen Fachbegriff.

Aids aus dem All

Gegen Ende seiner Karriere wandte sich Hoyle einer weiteren kontroversen Frage zu: der Entstehung des Lebens auf der Erde. Er war der Ansicht, dass es seinen Ursprung im Weltall haben müsse. Überall im Kosmos zwischen den Sternen befänden sich Mikroorganismen, die dort quasi gefriergetrocknet überlebten. Im Lauf der Zeit seien diese Organismen auf die Erde gelangt und hätten sich dort zu der Vielfalt des Lebens entwickelt, die wir heute beobachten.

Mehr noch: Immer wieder würden neue Organismen durch Meteoriteneinschläge auf die Erde kommen beziehungsweise als eine Art lebendiger "Regen" aus dem All auf unseren Planeten rieseln und dabei große Epidemien auslösen. Pest, Rinderwahn, sogar Aids sollen so laut Hoyle ausgelöst worden sein. Als Beleg führte er unter anderem die Form der menschlichen Nase an. Die Nasenlöcher würden deswegen nach unten zeigen, um uns vor dem Eindringen der von oben herabfallenden Organismen aus dem All zu schützen.

Dass anderswo im All Leben existieren könnte, bestreitet heute kein seriöser Wissenschafter. Die chemischen Bausteine des Lebens wurden – zum Beispiel im Rahmen der Mission der Kometensonde Rosetta – auch schon auf anderen Himmelskörpern entdeckt, und es ist nicht völlig auszuschließen, dass komplette Mikroorganismen, eingeschlossen in Meteoriten, auf die Erde transportiert werden können. All das wird heute von der Astrobiologie untersucht. Für die wilden Hypothesen Hoyles über Wolken aus Mikroorganismen im All und Meteoriten, die Krankheiten auslösen, gab es aber damals schon kaum Belege, und heute gibt es noch weniger.

Bemerkenswerte Bandbreite

Das Leben von Fred Hoyle ist deswegen so spannend, weil es die gesamte Bandbreite des wissenschaftlichen Erfolgs und Scheiterns abbildet. Seine Theorie zur Entstehung der Elemente war revolutionär. Bei seiner Steady-State-Theorie lag Hoyle noch im Rahmen der wissenschaftlichen Normalität daneben. Es war eine seriöse Hypothese, die sich mit dem damaligen Wissen nicht ausschließen ließ (obwohl Hoyle selbst dann noch daran festhielt, als sie eigentlich schon längst widerlegt war). Bei seinen astrobiologischen Ideen fällt es dagegen schon schwerer, sie als echte Wissenschaft anzusehen und nicht als Science-Fiction (die Hoyle übrigens ebenfalls und sehr erfolgreich geschrieben hat).

Bei allem, was Hoyle getan hat, war er genial und kreativ. Für seine Leistungen wurde er zu Recht mit fast allen wichtigen wissenschaftlichen Ehrungen ausgezeichnet. Aber wer weiter denkt als andere, denkt eben auch oft einmal daneben. (Florian Freistetter, 20.6.2017)