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Otto Warmbier bei seinem Prozess in Pjöngjang 2016.

Foto: Reuters

Nach dem Tod des in Nordkorea inhaftierten US-Studenten Otto Warmbier, er wurde 22 Jahre alt, droht eine neue Eskalation zwischen den USA und dem international weitgehend isolierten Regime in Pjöngjang. Der Wiener Nordkorea-Forscher Rüdiger Frank sieht im STANDARD-Interview nun Nordkorea am Zug.

STANDARD: Was steckt hinter dem Koma und dem Tod des in Nordkorea gefangenen US-Studenten? Kann man der offiziellen Darstellung des Regimes – Lebensmittelvergiftung, Schlaftablette – glauben?

Frank: Das werden wir nach 16 Monaten kaum erfahren können, es ist aber auch nicht relevant. Hätte man ihn nicht auf diese überzogene Weise bestraft, dann wäre es nicht zu seinem völlig sinnlosen Tod gekommen. Nordkorea muss sich umgehend entschuldigen und dann seinen zukünftigen Umgang mit solchen Fällen gründlich überdenken und revidieren. Etwa warum man ihn nicht einfach ausgewiesen und eine hohe Geldstrafe verhängt hat.

STANDARD: Warum hat man ihn denn so drakonisch bestraft?

Frank: Einerseits nimmt man in Nordkorea alles, was als Vergehen an politischen Symbolen angesehen wird, sehr ernst. Deren Vorstellung von Humor unterscheidet sich hier sehr von der unsrigen. Das wurde Herrn Warmbier vor der Reise offenbar nicht intensiv genug kommuniziert. Außerdem herrscht zwischen Nordkorea und den USA ein Propagandakrieg, und in den ist Herr Warmbier tragischerweise hineingeraten. Das kann aber nicht ansatzweise die Behandlung rechtfertigen, die er erfahren hat.

STANDARD: Hätte das Regime anders gehandelt, wenn es nicht ein US-Bürger, sondern ein Bürger eines anderen westlichen Landes gewesen wäre?

Frank: Die bisherigen Fälle legen tatsächlich nahe, dass US-Bürger und Menschen mit koreanischem Ursprung besonders drastisch bestraft werden.

STANDARD: Was bedeutet der Todesfall für die Nordkorea-Politik der USA?

Frank: Präsident Donald Trump hat bisher die Menschenrechte in Nordkorea nicht übermäßig betont. Das dürfte sich jetzt ändern. Falls Nordkorea sich nicht schnellstens und halbwegs glaubwürdig entschuldigt, dann wird der Tod Warmbiers das Land noch weiter isolieren und gegebenenfalls die USA zu drastischen Reaktionen veranlassen.

STANDARD: Worin könnten diese bestehen?

Frank: Bestenfalls wird es auf ein Reiseverbot der USA für alle Amerikaner nach Nordkorea hinauslaufen, auch die Ausweitung der Sanktionen auf Reisen von Bürgern aller westlichen Länder in das Land ist denkbar. Schlimmstenfalls entscheidet Trump sich für einen Militärschlag. Das wäre allerdings nicht zuletzt wegen der noch in Nordkorea inhaftierten Amerikaner und der zu erwartenden Gegenreaktion Nordkoreas hochriskant.

STANDARD: Warum hat das Regime den schwerkranken Studenten vor einer Woche überhaupt in die USA überführt?

Frank: Man wollte wohl einerseits verhindern, dass ein amerikanischer Staatsbürger in Nordkorea stirbt. Vermutlich sollte das auch ein Signal der Kooperationsbereitschaft an Präsident Trump sein. Beides ist gründlich danebengegangen.

STANDARD: Noch drei weitere US-Bürger sind derzeit dort in Haft. Was bedeutet der Tod Warmbiers für sie?

Frank: Das kommt darauf an, wie klug man in Pjöngjang entscheidet. Nordkorea könnte sie als eine Art Geiseln behalten oder als Zeichen der Wiedergutmachung für den tragischen und sinnlosen Tod von Herrn Warmbier diese Gefangenen entlassen. Ich würde Nordkorea Letzteres raten. Jetzt muss man schnell und umfassend Reue und Bedauern zeigen. Alles andere wäre inakzeptabel. (Florian Niederndorfer, 20.6.2017)