Überblick über die Studiensammlung.

Foto: Aenna Linzbauer

Inventarbücher mit Originalfunden.

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Inventarbücher mit Originalfunden.

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Mondseefunde aus der Sammlung Much.

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Silex-Artefakte.

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Geräte und Werkzeuge aus Geweihspitzen.

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Bronzezeitliche Gewandnadeln.

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Frühgeschichtliche Keramikgefäße.

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"Schatzkarten" und kryptische Fundstellenbeschreibungen.

Foto: Aenna Linzbauer

Das Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien besitzt eine der umfangreichsten Studiensammlungen archäologischer Objekte in Europa. Sie beinhaltet circa 89.000 Funde aus diversen Fundkategorien wie Keramik, Stein und Metalle, aber auch organisches Material wie Knochen, botanische und textile Reste. Auch Imitationen weltweit einzigartiger Funde wie der Venus von Willendorf und der Schlangenpriesterinnen aus Knossos sowie Abgüsse frühester Hominidenschädel gehören zum Bestand. Fast 2.000 Stück sind in Vitrinen ausgestellt, der Großteil des archäologischen Inventars lagert in Kästen und Archiven und wartet teilweise noch auf die Bearbeitung.

Der Bestand stammt von Schenkungen, Ankäufen, Nachlässen oder auch Dauerleihgaben. Die Fundorte verteilen sich auf Österreich und die ehemaligen k. u. k. Kronländer, wobei auch viele außereuropäische Funde zum Beispiel aus Ägypten darunter sind.

Der Beginn der Sammlung

Schon 1899 begann Moriz Hoernes (1852–1917), der Begründer des Lehrstuhls für die Urgeschichte des Menschen, mit dem Aufbau einer eigenen Lehrsammlung für Übungszwecke. 1912 konnte die "Sammlung prähistorischer Altertümer des Dr. Much" mit circa 24.000 Stück angekauft werden, die den Grundstock der Studiensammlung bildet. Die Objekte wurden handschriftlich, zum Teil mit Zeichnungen versehen, in einer Kartei und Inventarbüchern registriert.

Die Funde sind ein zentraler Bestandteil der Lehre und für alle Studierenden des Instituts frei zugänglich. Wir nutzen sie unter anderem in Bestimmungsübungen, Zeichenübungen und wissenschaftlichen Arbeiten. Während des Studiums wird anhand dieser Objekte, die nicht nur betrachtet, sondern auch angefasst und erforscht werden, eine erste praxisorientierte Ausbildung geboten. Es ist etwas Besonderes, im Studium jahrtausendealte Steinwerkzeuge genauso in der Hand zu halten, wie es schon Menschen des Paläolithikums getan haben.

Die Arbeit in der Studiensammlung

Der Großteil der Objekte wurde in den letzten Jahren inventarisiert; die digitale Erschließung sollten wir nach den letzten circa 6.000 Stück abschließen können. Zuerst werden sie mit einer fortlaufenden Nummer im Inventarbuch registriert und in einer Datenbank erfasst, die eigens für die Studiensammlung erstellt wurde. Die Funde werden in den Restaurierwerkstätten des Instituts konserviert oder restauriert und beschriftet.

Im Fotolabor des Instituts werden die Funde mit Maßstab für unterschiedliche Zwecke aufgenommen und die Bilder in die Datenbank eingespielt. In dieser werden weiters Fundortangaben, Standort in der Sammlung, eventueller Fehlbestand, Bearbeiter, Erwerbsursprung und -modalität, Befundinformationen, Datierung, Literaturangaben und genaue Fundbeschreibungen sowie -kategorisierungen erfasst.

Zum Beispiel bestimmen wir ein einfaches Keramikgefäß – um bei einem der am häufigsten erhaltenen Fundmaterialien zu bleiben – nach Material, Typ/Ansprache, Datierung, kultureller Zuordnung und schließlich Gefäßform (Amphore, Becher, Flasche, Kanne, Schale, Schüssel, Topf, Trichterhalsgefäß, zoomorphes Gefäß …) und belegen diese Zuordnung mit Vergleichen aus Literaturquellen und beschreiben die Objekte von oben bis unten.

So können wir in der Datenbank noch zahlreiche Informationen angeben, wie die Gefäßpartie, den Erhaltungszustand, die verwendete Technologie (handgeformt oder scheibengedreht), Tonware, Farbe, Handhaben (zum Beispiel Bandhenkel, Griffknopf, Knubbe, Ösenhenkel), Verzierungen, Maße, Beschreibungen und Anmerkungen.

Die wenigsten Menschen würden umgangssprachlich Riefen von Rillen (flach-breiter oder scharfkantiger Querschnitt) unterscheiden, aber bei unserer Arbeit in der Sammlung müssen wir uns unter anderem damit auseinandersetzen.

Ein Topf ist ein Topf ist ein Topf. Oder?

Manchmal steht man dann vor einfachen und doch nicht so einfachen Fragen wie: Ist der schöne "Topf" wirklich ein Topf? Ist das niedrige Gefäß eine Schale oder eine Schüssel? Ist der Stein ein Artefakt, also vom Menschen erzeugt, oder ein Geofakt, also natürlich geformtes Gestein? Kann der Eisenbeschlag einem bestimmten Lebensbereich zugeordnet werden? Ist die Rassel ein Kultobjekt oder ein Kinderspielzeug? Fällt das Artefakt unter Geräte oder Werkzeuge? So steht hinter jedem Objekt ein Stück Menschheitsgeschichte, dessen Hintergründe es zu klären gilt.

Die Bearbeitung von alten Sammlungen ist meist eine Herausforderung: Mangels fehlender Dokumentation, etwa genaue Fundortangaben, Eingangsdatum oder Erwerbsursprung, können wir oft nur rudimentäre Angaben zum Fund selbst erfassen. Manche Privatsammler hinterließen kryptische "Schatzkarten", auf denen manchmal tatsächlich ein "X" die Fundstelle markiert, oder unleserlichere Beschreibungen zusammen mit ihren Objekten. Manchmal ist eine ausführliche Recherche, zum Beispiel in den "Fundberichten Österreichs", notwendig.

Die gesammelten Informationen und Abbildungen überspielen wir von unserer Datenbank in regelmäßigen Abständen in "Unidam", eine interdisziplinäre Bilddatenbank der Universität Wien, und stellen sie damit allen Studierenden zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung.

Auch bei Fachkollegen sowie Ausstellungen im In- und Ausland sind die einzigartigen Funde von namensgebenden Fundorten wie Willendorf, Hallstatt, Stillfried und Mondsee sehr begehrt. Dabei fragen sie meist nach bestimmten Fundkomplexen, Fundorten oder thematisch zusammengestellten Funden, die, falls verfügbar, in der Folge von uns aus den Kästen herausgesucht und bereitgestellt werden. Die Funde gehen aber erst auf die Reise, wenn Transportfähigkeit, Leihverträge, Versicherungen und eventuell Ausfuhrgenehmigungen des Bundesdenkmalamts geklärt sind.

Jubiläum des Instituts

Am Freitag, 23. Juni findet am Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie eine ganztägige Jubiläumsfeier statt, bei der es neben Präsentationen zur Geschichte und aktuellen Forschungen am Institut auch Einblicke in die Studiensammlung geben wird.

Zwei Vitrinen bestücken wir gerade mit Objekten aus einer Dauerleihgabe. Gezeigt werden verschiedene Gegenstände aus Keramik, Metallen, Glas, Stein und organischem Material aus unterschiedlichsten Epochen. Wenn auch manche Gegenstände Rätsel aufgeben – zum Beispiel bronzezeitliche Axtmodelle aus Keramik –, sind es genau diese Konfrontationen und die ständige Weiterbildung, die den Reiz dieser zeitaufwendigen Arbeit ausmachen. (Aenna Linzbauer, Heidrun Enichlmayr, 22.6.2017)