"Nieder mit der PSD" oder "Schämt euch, PSD" stand auf den Plakaten der Opposition während des Misstrauensvotums im rumänischen Parlament.

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Bukarest – Der rumänische Ministerpräsident Sorin Grindeanu und seine Regierung sind am Mittwoch erwartungsgemäß per Misstrauensvotum gestürzt worden. Grindeanu hatte das Vertrauen seiner eigenen Sozialdemokraten (PSD) verloren. 241 Abgeordnete stimmten gegen die Regierung, zu ihrer Abwahl gereicht hätten 233.

Grindeanu wollte nicht freiwillig zurücktreten, nachdem ihm die Koalition vergangene Woche die Unterstützung entzogen hatte. Die PSD und ihr linksliberaler Koalitionspartner Alde selbst hatten deshalb den Misstrauensantrag eingebracht.

Vorbestrafter PSD-Chef erneut vor Gericht

Der seit knapp einem halben Jahr amtierende Grindeanu hatte sich mit seinem PSD-Vorsitzenden Liviu Dragnea überworfen. Grindeanu verweigerte sich unter anderem Dragneas Forderung nach einer Lockerung des Korruptionsstrafrechts. Dragnea will die Regierung kontrollieren, weil er selbst nicht Premier werden darf, da er vorbestraft ist. Er steht zudem wegen Beihilfe zum Amtsmissbrauch vor Gericht.

Die Opposition boykottierte die Misstrauensabstimmung; sie sprach von einer "mafiaähnlichen Abrechnung unter zwei PSD-Clans" und sprach der linken Parlamentsmehrheit die Legitimität ab, weiter die Regierung zu stellen.

Offene Stimmabgabe

Um sicherzustellen, dass es keine Abweichler in den eigenen Fraktionsreihen gibt, hatten PSD-Chef Dragnea als Präsident der Abgeordnetenkammer sowie der Alde- und Senats-Vorsitzende Calin Popescu Tariceanu beschlossen, das Misstrauensvotum nicht geheim durchzuführen. So beaufsichtigte Dragnea persönlich die offene Stimmabgabe.

Vom Rednerpult des Parlaments sprach der wegen Wahlbetrugs vorbestrafte PSD-Chef vor dem Votum von einem "traurigen Tag" und beschuldigte Premier Grindeanu, "nicht geliefert" zu haben. Die Leistungen von Grindeanus Regierungsteam seien "eher mittelmäßig" gewesen. Dies könne die Koalition nicht hinnehmen. Darüber hinaus habe Grindeanu mit seiner "peinlichen" Rücktrittsverweigerung ein "irrationales und böswilliges Verhalten" unter Beweis gestellt und sich auf die Seite "illegitimer Interessensgruppen" geschlagen. "Ich fordere Sie daher heute auf, dieses für uns alle schmerzhafte Misstrauensvotum mitzutragen." Rumänien brauche eine Regierung, die sich voll und ganz ihren Aufgaben widme, so Dragnea.

Regierungschef Grindeanu ersuchte die PSD- und Alde-Parlamentarier indes, "ohne Furcht" abzustimmen. Niemand werde das Amt des Regierungschefs auch tatsächlich ausüben können, solange Dragnea der PSD vorstehe. Er habe seinen Rücktritt verweigert, weil das Land "an einem Scheideweg" stehe: "Entweder verteidigen wir unsere Zukunft oder wir rutschen zurück in die Vorwendezeit", sagte Grindeanu. Den Vorwurf schwacher Leistungen wies der 43-Jährige unter Verweis auf das EU-weit höchste Wirtschaftswachstum des Landes (5,6 Prozent im ersten Quartal 2017 laut Eurostat) zurück. Er verstehe "bis zuletzt nicht, weshalb ich mich heute vor Ihnen befinde, zudem verstehen es auch die Menschen nicht", sagte Grindeanu. Er war samt seinem wichtigsten Unterstützer, dem nicht minder korruptionsumwitterten Ex-Premier Victor Ponta, auch aus den PSD-Reihen ausgeschlossen worden.

Beratungen zwischen Präsident und Parlamentsfraktionen

Die Regierungskrise geht damit in die nächste Etappe: Laut Verfassung behält Grindeanu kommissarisch und mit eingeschränkten Befugnissen sein Amt als Regierungschef, bis sein Nachfolger und dessen Kabinett vom Parlament bestätigt wurden. Am Zug ist nun Staatspräsident Klaus Johannis, der sich zunächst mit den Parlamentsfraktionen konsultieren und danach einen Politiker seiner Wahl mit der Regierungsbildung beauftragen muss. Nach Angaben aus der Präsidentschaftskanzlei dürften diese Beratungen frühestens am Montag beginnen.

Ob Johannis gewillt ist, abermals einen PSD-Politiker mit der Regierungsbildung zu beauftragen, ist angesichts der beiden von der Partei in kaum sechs Monaten losgetretenen Krisen (Jänner-Regierungsproteste, gegenwärtige Regierungskrise) ungewiss. Die rumänische Verfassung schreibt dem Staatsoberhaupt nur dann vor, den Wahlsieger mit der Regierungsbildung zu beauftragen, wenn letzterer die absolute Mehrheit eingefahren hat. Die PSD hatte bei der Parlamentswahl von Dezember mit 45,5 Prozent zwar einen beachtlichen Sieg, jedoch keine absolute Mehrheit errungen. Johannis steht folglich unter keinerlei Zwang. Sollte das Parlament zwei Vorschläge bzw. Kabinette hintereinander ablehnen, kann Johannis vorgezogene Neuwahlen ansetzen. (APA, 21.6.2017)