Im Backstage-Bereich klickten die Smartphones. Schließlich sollten die Bilder von den Pullis mit den Spielkarten-Prints, den blumigen Seidenhosen und den Anzügen mit den aufgedruckten Herzen hinaus in die Welt. Oder besser gesagt: in den Newsfeed all jener, die einen der Instaboys und Instagirls abonniert haben, die Dolce & Gabbana für ihre jüngste Modeschau engagiert hatten. Social-Media-Heroen und Kinder berühmter Eltern (darunter der Sohn von Pierce Brosnan und der Enkel von Marlon Brando) sind die neuen Models. Das ist zumindest beim italienischen Modelabel Dolce & Gabbana so, das wie kaum jemand sonst auf die Marketingmaschinerie der sozialen Netzwerke setzt.

Haben die Mode bei Dolce & Gabbana fest im Griff: Influenzer mit Krone auf dem Kopf.
Foto: apa/ afp/ Miguel Medina

Zum dritten Mal in Folge widmeten sie ihre Schau den sogenannten Millennials, also jener Generation von Digital Natives, die vor dem Schlafengehen noch schnell ein Bild von ihrem Lieblings-Hoodie posten und auf viele Likes hoffen.

Zum Schluss alle noch einmal gemeinsam über den Laufsteg: Dolce-&-Gabbana-Show.
Foto: apa/ afp/ Miguel Medina

Das funktioniert natürlich nur, wenn darauf markante Schriftzüge oder schreiende Prints zu sehen sind. Alles Zurückhaltende, alles Schwierige und Leise hat auf Instagram keine Chance.

Anbiederung an Instagram

Die gerade zu Ende gegangene Mailänder Männermodewoche war geprägt von Kollektionen, die sich der Vermarktung durch die sozialen Netzwerke anbiederten. Am offensivsten betrieben Dolce & Gabbana das Spiel mit der mächtigen Werbeplattform, aber auch andere Labels setzen auf schrille Zeichen. Oder wie ist es sonst zu verstehen, dass beim Mailänder In-Label MSGM kaum ein Kleidungsstück ohne übermächtiges Logo auskam? Dass der neue Marni-Designer Francesco Risso seinen Models Babylätzchen und Kinderhauben umband? Lustige Aufnäher und halblustige Prints, grelle Farben und markante Sprüche sind die neuen Lieblinge der Designer.

Lätzchen bei Marni.
Foto: apa/afp/ Marco Bertorello

Bei einer Umfrage unter 60 italienischen Einkäufern, abgedruckt von der Mailänder Textilzeitschrift Fashion, gab die Mehrheit an, vorzugsweise im Internet nach neuen Marken Ausschau zu halten. Und nicht auf der ebenfalls vergangene Woche stattgefundenen Florentiner Modemesse Pitti oder bei den Schauen in Mailand. Die am häufigsten verkauften Produktkategorien bei Männern? T-Shirts und Sneakers. Und die von Jüngeren am häufigsten nachgefragten Marken: Marcelo Burlon und Off-White. Während das Label von Kanye Wests Creative Director Virgil Abloh auf der Pitti eine Kollektion aus Oversize-Stücken zeigte, huldigte Marcelo Burlon in Mailand einer dunklen Surfermode. Sein Cast: auf Instagram rekrutiert.

Inmitten der auch in Mailand immer zahlreicher werdenden It-Labels und Millennial-Marken wird es für die Lokalhirsche immer schwieriger, Aufmerksamkeit zu generieren. Allein um zehn Prozent fiel der Umsatz von Prada im letzten Jahr, also von jenem Label, das noch immer das meistbeachtete in Mailand ist – und das es verlässlich schafft, dem Zeitgeist einen tieferen Sinn zu verpassen. An den Wänden der jüngsten Kollektionspräsentation: übergroße Graphic Novels.

Comic ohne Helden: Jumpsuits bei Prada.
Foto: apa/ afp/ Miguel Medina

Auf dem Laufsteg: Jumpsuits aus Nylon, die jedem Mann die Schweißperlen auf die Stirn treiben dürften, weite Kürzestshorts zu kniehohen Stutzen, gestreifte Cardigans über Hemden mit aufgestellten Krägen. Mode für Comicfiguren. Allerdings für solche, die keine Helden sein möchten.

Virtual Reality bei Prada

Die Kollektion sei dem Gefühl geschuldet, "zwischen der virtuellen Realität und dem alltäglichen Leben gefangen zu sein", erklärte Miuccia Prada backstage. In der Fondazione Prada in Venedig zeigen dazu passend Thomas Demand, Alexander Kluge und Anna Viebrock eine Art Parallelrealität, in der der Besucher beinahe verlorengehen kann.

Das Unheimliche in eine Kollektion zu verpacken versteht niemand so gut wie die 68-jährige Designerin. Für die Schönheit sind andere zuständig: zum Beispiel Silvia Fendi beim gleichnamigen römischen Modehaus, die eine genauso schwerelose wie geschmackssichere Kollektion präsentierte. Die Hosen hochsitzend, die Krawatten gelockert, die Materialien vom Feinsten.

Modekollektion von Fendi.
Foto: apa/afp/ Marco Bertorello

Oder Alessandro Sartori bei Zegna. Nach fünf Jahren bei Berluti kehrte der Designer zum Mailänder Modehaus und Stofffabrikanten zurück und zeigte mit seiner zweiten Kollektion, welches Potenzial in ihm steckt. Ausgangspunkt war eine zwischen Rostrot und Maronibraun changierende Farbpalette.

Zwischen Rostrot und Maronibraun changierend: Kollektion von Zegna.
Foto: apa/ afp/ Miguel Medina

Was Sartori allerdings daraus machte, war eine Übung in Leichtigkeit. Anzüge, durch die der Wind zu wehen schien, Pullis, die beinahe schwerelos wirkten. Während Vorgänger Stefano Pilati sich in konzeptionellen Gedankensprüngen verlor, ist Sartori ganz nah dran an dem, was viele Männer im Sommer tragen wollen: luftige Kleidung, die genauso formell wie sportlich wirkt. Kann sein, dass man in ihr auf Instagram ein paar Likes weniger kriegt. Dafür schaut sie in der Realität verdammt gut aus. (Stephan Hilpold aus Mailand, 21.6.2017)