Zu wenig, zu langsam, zu unentschlossen. Diese Merkmale zeichnen die Flüchtlings- und Migrationspolitik der Europäischen Union nach wie vor aus. Auch wenn seit dem Kentern von zwei großen Schiffen vor Lampedusa im Frühjahr 2015 mit mehr als tausend Toten eine ganze Menge an Maßnahmen gesetzt wurde, auf EU-Ebene (etwa mit dem Türkei-Abkommen) wie auch in (eher wenigen) Mitgliedstaaten: Der Befund ist negativ.

Er stammt nicht von übelwollenden Journalisten oder gar rechten Hardlinern, die die komplexe Problematik von Flucht, Wanderung bis hin zu illegaler Migration und Schleppermafia am liebsten populistisch ausblenden, indem sie unhaltbare "einfache Lösungen" anbieten.

Diese Manöverkritik stammt vom höchsten Repräsentanten der Union, Ratspräsident Donald Tusk. "Wir tun zu wenig, und ich verstehe auch nicht, warum wir nicht mehr finanzielle Verantwortung übernehmen können, damit die libysche Küstenwache besser funktioniert", schrieb er an seine Kollegen. Wie wahr. Und was er anspricht, ist nur ein Beispiel unter vielen Einzelmaßnahmen, die auf dem Papier zwar vorgesehen sind, in der Praxis aber nicht umgesetzt werden. Hier wäre ein echter Ruck nötig.

Denn das Traurigste am europäischen Versagen ist: Es schaffen immer weniger echte Kriegsflüchtlinge zu uns. Stattdessen wird die Debatte vom Dauerstreit über illegale Migration und Restriktionen gegen Schlepper überlagert. (Thomas Mayer, 22.6.2017)