Anonyme Plakate: Gerichtspräsident Losan Panow (rechts) soll von "Oligarchen" wie dem Industriellen Ognjan Donew (links) gelenkt werden. Der Richter aber kritisiert in Wahrheit die Oligarchie in Bulgarien.

Foto: Markus Bernath

Der Richter als Marionette, seine Frau, Chefredakteurin einer Wirtschaftszeitung, ihm zu Füßen in einer Badewanne: Seit Wochen hängen anonyme Plakate an Stromkästen und Lampenpfosten in der Sofioter Innenstadt, die Losan Panow verunglimpfen, den Präsidenten des Berufungsgerichts und damit einen der höchsten Richter des Landes. Es ist der vorläufige Höhepunkt der jüngsten Auseinandersetzung um den Filz von Justiz, Politik und den Oligarchen in Bulgarien. Schon ziehen an manchen Abenden wieder Hundertschaften von Demonstranten vom Regierungssitz zum Parlament und skandieren wie im Protestjahr 2013 Rücktrittsforderungen.

Panow ist der Gute, die anderen die Bösen – oder so sieht es zumindest aus. Der Gerichtspräsident kam vor zweieinhalb Jahren erstmals aus der Deckung, für viele unvermutet in der auskalibrierten Justiz des kleinen Balkanlands, wo die Besetzung von Richter- und Staatsanwälteposten stets ein Politikum und genau überlegt ist.

Nichts geschieht zufällig

Als eine Schlüsselreform des damaligen Justizministers im Parlament plötzlich eine andere Form annahm, hielt Panow eine öffentliche Brandrede. Nichts geschehe in diesem Land zufällig, sagte der Gerichtspräsident. Die Oligarchie habe ein System geschaffen, das klug Medien und Justiz für sich nutze. Bulgariens Richtervereinigung und Diplomaten aus EU-Ländern in Sofia stellten sich damals im Dezember 2015 hinter Panow.

Seit dem EU-Beitritt vor zehn Jahren wird Bulgarien ebenso wie Rumänien seiner großen Mängel im Justizbereich wegen von der Brüsseler Kommission überwacht und zu Reformen angehalten. Der Fortschritt war schwankend, je nach innenpolitischer Konjunktur. Korruptionsskandale auf hoher Ebene gab es viele, rechtskräftige Verurteilungen praktisch nie – anders als in Rumänien.

EU-Ratspräsidentschaft 2018

Der Reformblock, ein Bündnis rechter Kleinparteien, das als Koalitionspartner in den vergangenen zwei Jahren versuchte, die Justiz transparenter zu machen, fiel bei den jüngsten Wahlen aus dem Parlament. Jetzt regiert Premier Boiko Borissow mit rechtsgerichteten Nationalisten. Ebenso lapidar wie vernichtend heißt es im jüngsten Bericht der EU-Kommission vom Jänner dieses Jahres: "Der Gesetzgebungsprozess in Bulgarien hat kein vorhersehbares rechtliches Umfeld geschaffen." Gleichwohl wird Bulgarien im ersten Halbjahr 2018 erstmals die Ratspräsidentschaft der EU übernehmen; Österreich folgt danach.

Seit Losan Panows überraschender Rede gegen Politik und Oligarchen ist die Auseinandersetzung zwischen Reformern und angeblichen Verhinderern von Transparenz und Korruptionsbekämpfung im bulgarischen Staat noch sehr viel härter geworden.

Sechs Lammschädel

Anfang Juni legten maskierte Männer sechs blutige Lammschädel vor dem Eingang des Obersten Justizrates in Sofia ab. Es sollte eine Warnung sein. Sechs Mitglieder im Justizrat, dem Selbstverwaltungsorgan der Justiz, stützen Panow, so heißt es, 17 den mächtigen Generalstaatsanwalt, gegen den Panow eine Fehde führt. Sotir Tsatsarow, so lässt Panow verstehen, blockiert Reformen, macht gemeinsame Sache mit dem Regierungschef, sitzt mit Oligarchen zusammen. Das Schweigen der Lämmer in der Justiz müsse ein Ende haben, forderte Panow, der Gerichtspräsident. Daraufhin kamen die Lammköpfe.

Anstehende Wahlen treiben den Streit an der Spitze der bulgarischen Justiz zweifellos noch an. Die Kandidaten für den neuen Justizrat werden derzeit bestimmt, und Panow ist am Ausbau seines Lagers gelegen. Auch Tsatsarows siebenjährige Amtszeit neigt sich ihrem Ende zu; 2020 muss das Parlament einen neuen Generalstaatsanwalt bestimmen. Auf die Vorwürfe gegen ihn reagiert er verständnislos. Man möge ihm doch konkrete Vorschläge für eine Justizreform zeigen, sagt er.

Zwitterposition

Tsatsarows Zwitterposition in der Justiz nährt ständig Spekulationen über Einflussnahmen. Als Generalstaatsanwalt ist er verantwortlich für die Einleitung von Ermittlungen; gleichzeitig soll er aber auch die Arbeit seiner Staatsanwälte überwachen. Diese Woche hat die Staatsanwaltschaft immerhin einen prominenten Fall eröffnet: Gegen den Exchef der Straßenbehörde ermittelt sie wegen Veruntreuung von umgerechnet 21 Millionen Euro. (Markus Bernath aus Sofia, 23.6.2017)