Zur Person:

Renato Mannheimer (70) wird als "Vater" der Meinungsforschung in Italien bezeichnet. Er leitet das Institut ISPO.

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STANDARD: Bei den jüngsten Kommunalwahlen hat die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) von Beppe Grillo überraschend schlecht abgeschnitten. Bedeutet dies, dass der Höhepunkt der Bewegung vorbei ist?

Mannheimer: Nein. Die Fünf-Sterne-Bewegung hat bei lokalen Wahlen seit jeher schlechter abgeschnitten. Die Grillini sind auf lokaler Ebene schwach aufgestellt.

STANDARD: Erwarten Sie auf nationaler Ebene ein besseres Ergebnis?

Mannheimer: Die Bewegung profitiert vom starken Protest im Lande.

STANDARD: Wer sind die Wähler der Grillini?

Mannheimer: Vorwiegend handelt es sich um die jüngeren, im mittleren sozialen Segment angesiedelten Wähler. In der Fünf-Sterne-Bewegung beherrscht man soziales Marketing meisterhaft und schafft es, jeweils im richtigen Augenblick das richtige Thema zu bringen.

STANDARD: Zum Beispiel?

Mannheimer: Der jüngste Protest gegen Einwanderer, gegen das Ius soli, kam zur rechten Zeit.

STANDARD: Erwarten Sie eine Liaison der M5S mit der populistischen Lega Nord? Dies steht angeblich zur Diskussion.

Mannheimer: Ich kann mir eine solche Liaison nicht vorstellen. Denn die Hälfte der Protestwähler stammt aus dem linken Lager.

STANDARD: M5S hat des Öfteren ihre Abneigung zum vereinten Europa ausgesprochen. Erwarten Sie sich hier eine Trendwende?

Mannheimer: In ganz Europa, in Frankreich, Österreich, den Niederlanden, haben die Europa-Gegner an Tritt verloren. Auch in Italien wird es so kommen. Grillo ist mit seinem Europa-Protest sehr wankelmütig. Es würde mich nicht wundern, wenn er sich im Fahrwasser der neuen Europa-Freundlichkeit wieder zu Europa bekennt. Doch die Italiener sind gegen den Euro. Und die Abschaffung des Euro ist ein Schlüsselpunkt im Programm der Grillini.

STANDARD: Die M5S ist derzeit in Umfragen knapp stärkste Partei Italiens. Ist sie Ihrer Ansicht nach überhaupt regierungsfähig?

Mannheimer: Keineswegs. Die Grillini haben kein Programm, sie haben nur treffende Slogans. Und vor allem haben sie keine entsprechend ausgebildeten Personen, um eine Regierung zu bilden.

STANDARD: Wann rechnen Sie mit Parlamentswahlen?

Mannheimer: Die Legislaturperiode läuft im Frühjahr 2018 aus. Nach heutigem Stand werden Wahlen wohl erst im Februar oder März 2018 stattfinden. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, 24.6.2017)