Hier ist alles möglich: Ein vorgegebenes Konzept für die Nutzung der Räumlichkeiten gibt es nicht.

Foto: MANFRED SODIA photography

"Die Leute sollen sich was einfallen lassen", sagt Gründerin und Betreiberin Anita Bernsteiner.

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Arbeitsplätze können für Tage, Wochen oder Monate gemietet werden.

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Sichtbetonböden, eine Backsteinmauer, davor hippe Sessel aus den 1960er-Jahren, schlichte Schreibtische und viele große Zimmerpflanzen – so oder so ähnlich sehen moderne Co-Working-Räume in trendigen Vierteln in Städten auf der ganzen Welt aus. "Die Tischlerei" unterscheidet sich davon in einem Aspekt: Die "Co-Workstätte", wie sie sich nennt, liegt in einem ehemaligen Problemviertel.

"Die Kreta" – unter diesem Namen sind die Häuserblocks zwischen Gudrun-, Quellen- und Geiselbergstraße an der Grenze zum 11. Bezirk bekannt – befindet sich in Wien-Favoriten. Der Bezirk ist, abgesehen vom Hipster-Hotspot Ankerbrotfabrik, bei jungen Wienern nicht unbedingt angesagt.

Viertel im Aufschwung

Das könnte sich bald ändern, glaubt Anita Bernsteiner, die "Die Tischlerei" im April eröffnet hat. Durch das Sonnwendviertel und eine aktuell im Bau befindliche Brücke in den dritten Bezirk wird in der Kreta ein Aufschwung zu spüren sein, glaubt sie. Bewusst hat sie sich die Gegend für ihr Projekt allerdings nicht ausgesucht. "Mein Vater hat die Räume, in der früher eine Tischlerei untergebracht war, schon vor längerer Zeit gekauft und als Lagerraum verwendet. ,Genutzt' im klassischen Sinne wurde die Fläche also nicht", sagt Bernsteiner, die zuvor im Anlagenbau gearbeitet hat und auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung war.

"Mache ich das wirklich hier?" Diese Frage habe sie sich allerdings schon gestellt, denn die Gegend habe immer noch einen etwas "anrüchigen, schäbigen Touch". Mittlerweile hat sich aber gezeigt: Das Grätzel hat Potenzial. "Es wächst einiges, man sieht, dass sich viel tut. Hier ist es gerade wie vor 15 Jahren im 2. Bezirk."

Das Verlangen nach Gesellschaft als Einzelunternehmer kennt Bernsteiner von sich selbst. "Daheim ist es fad, es fällt einem die Decke auf den Kopf, man kann Arbeit und Freizeit nur schwer voneinander trennen, der Austausch mit anderen arbeitenden Menschen fehlt", sagt sie.

Arbeitsplatz mieten

Co-Working-Spaces wie "Die Tischlerei" wollen das ändern. Für Tage, Wochen oder Monate kann ein Arbeitsplatz gemietet werden. 190 Euro im Monat kostet der Tarif mit eigenem Schlüssel für die Räumlichkeiten und Zugang rund um die Uhr. Unternehmer können auch ihre Geschäftsadresse in der "Tischlerei" anmelden. "Von Bauingenieuren über Fotografen bis zu Studenten, die an ihrer Masterarbeit sitzen, ist alles dabei", sagt Bernsteiner.

Zusätzlich gibt es einen Meetingraum und Platz für Veranstaltungen. Besonders dieses Angebot werde sehr gut angenommen, etwa für Workshops, Kurse oder Vereinstreffen. Im Keller ist Platz für Bastelarbeiten. Der Nutzung der Räumlichkeiten seien bewusst keine Grenzen gesetzt, sagt Bernsteiner, deren Familie früher eine Galerie betrieben hat, die an den Wänden der "Tischlerei" noch in kleinem Rahmen weitergeführt wird. "Es ist eher ein Mehrzweckraum, ich freue mich, wenn die Leute sich was einfallen lassen." (Bernadette Redl, 27.6.2017)