Koschatzky-Preis 2017: "Square" von Siegerin Melanie Dorfer.

Foto: Rotary-Club Wien-Albertina

"Mazu Hanghai" von der Teilnehmerin Marianne Vlaschits.

Foto: Marianne Vlaschits

Die Verkaufsausstellung im Zuge der Preisverleihung in den Mumok-Hofstallungen lief schlechter als erwartet.


Foto: Rotary Club Wien-Albertina

Ob kontinuierliche Millionenstakkati in den Auktionssälen in London und New York oder fulminante und in Summe an der Milliarden-Dollar-Marke kratzende Verkaufszahlen bei Kunstmessen wie der Art Basel: Sie spiegeln allenfalls einen Teilaspekt der Kunstmarktindustrie, einer Branche, die seit Jahren unaufhörlich wächst und gedeiht.

Eine Parallelwelt, im Vergleich zum wenig glamourösen Existenzkampf abertausender Kunstschaffender. Nur ein Bruchteil der kontinuierlich vom akademischen Ausbildungsbetrieb in den Markt "gespülten" Produzenten wird damit irgendwann auch den Lebensunterhalt bestreiten können.

Um Talent wird es dabei nicht ausschließlich gehen, viel öfter wird es eine Frage des Durchhaltevermögens sein. Eine hohe Frustrationstoleranz ist dabei hilfreich, schon des Umgangs mit mangelnder Wertschätzung wegen. Der Alltag eines Künstlers ist gewissermaßen schon eine Kunst für sich.

Mit etwas Glück ergattert man ein Stipendium, präsentiert sich mit Kollegen in Offspaces, werden Arbeiten von Galerien ins Programm übernommen und nimmt man an Gruppenausstellungen teil, denen im Idealfall Soloshows folgen. Zwischendurch beteiligt man sich an Wettbewerben: an solchen, die im Idealfall den Lebenslauf schmücken könnten, und auch an solchen, deren Preisgeld zumindest ein willkommenes Zubrot wäre.

RC Wien-Albertina

In letztere Kerbe schlägt etwa der 2004 vom Rotary Club Wien-Albertina ins Leben gerufene und seit 2005 im Zweijahresrhythmus verliehene Walter-Koschatzky-Kunst-Preis (WKKP), benannt nach dem 2003 verstorbenen langjährigen Albertina-Direktor (1962- 1986) und an den Universitäten Wien und Salzburg (1973-1989) Lehrenden, dem die Kunst der Originalgrafik stets ein besonderes Anliegen war.

Koschatzky war gleichfalls Rotarier. Die älteste noch aktive Cluborganisation dieser Art hat sich ihrem Wahlspruch gemäß dem selbstlosen Dienen verschrieben. Die weltweit etwa 1,2 Millionen Mitglieder setzen ihre beruflichen Fähigkeiten in ehrenamtlicher Arbeit ein, um anderen zu helfen, wovon zahlreiche humanitäre Projekte zeugen.

Frauen sind in diesem Netzwerk übrigens erst seit 1989 willkommen. Hohe ethische Grundsätze gelten für Rotarier jedoch nicht nur beruflich. Laut RC Wien-Albertina prüfe man selbst im Privatleben, ob das Verhalten gewissen Idealen, beispielsweise der Wahrhaftigkeit oder der Fairness, entspricht.

Die Idee des Koschatzky-Preises war, junge Künstler nachhaltig zu unterstützen. Die Teilnehmer erhalten "durch die Veranstaltung Publizität" und im Falle der von einer Fachjury begleiteten Prämierung einen von Sponsoren finanzierten Geldpreis in der Höhe von 6000, 4000 bzw. 2500 Euro (Platz 1-3). Abgesehen von den Ankäufen der preisgekrönten Arbeiten durch den RC Wien-Albertina zum Fixpreis von 1000 Euro findet eine Verkaufsausstellung aller eingereichten Werke statt. Laut Ausschreibung behält Rotary bei solchen Verkäufen allerdings eine "ortsübliche (gallerieübliche) Provision von 50 Prozent" ein. Das ist, gemessen an den für die Teilnehmer erbrachten Leistungen, durchaus stattlich.

Aber, betont Initiator und Projektkoordinator Ernst Strobl, dieser Erlös komme zusammen mit allfälligem Sponsoring-Überschuss, in weiterer Folge "unverschuldet in Not geratenen Künstlern zugute": in Form eines Stipendiums in der Höhe von maximal 6000 Euro als Einmalzahlung oder in zwölf Monatsraten. Wer davon in den vergangenen Jahren profitierte? Bitte um Verständnis, die Namen der Künstler will man mit Rücksicht auf deren Situation nicht veröffentlichen.

Als Spiritus Rector investiert Strobl zwischen 200 und 300 ehrenamtliche Stunden in die WKKS-Koordination. Ende Mai hat der Logistikunternehmer diese Funktion zurückgelegt. Die frei gewordenen Zeitressourcen werden nun wohl auch in sein neues Privatprojekt fließen: Mitte dieser Woche wechselte die Burg Greifenstein für 2,5 Millionen Euro in seinen Besitz. Ein historisches Juwel, sagt der 58-Jährige, das er aus dem Dornröschenschlaf zu wecken gedenkt.

Zurück an die Kunstpreis-Front und ihre bisherige Bilanz: Inklusive heuer wurden Preisgelder in der Höhe von rund 95.000 Euro ausgeschüttet. Die über die Jahre vom Club erworbenen Kunstwerke wurden 2010 und 2016 im Novomatic-Forum versteigert. "Diese Erlöse in der Größenordnung von jeweils 30.000 bis 40.000 Euro" flossen laut Strobl in die Stipendien. Auf gewisse Weise finanziert sich das Programm von selbst.

Verzicht auf Folgerecht

Für die Auktionen findet sich seit 2009 in den WKKS-Ausschreibungen ein bemerkenswerter Absatz. Ihm zufolge verzichten die Künstler mit ihrer Teilnahme "auf einen Folgerechtszuschlag gemäß EU-Richtlinie 2001/84/EU, der bei Versteigerungserlösen über € 3000 (sic) eine Zahlung an den Künstler vorsehen würde".

Seit 2012 liegt der Schwellenwert tatsächlich bei 2500 Euro. Davon abgesehen: Ist es zulässig, dass Künstler auf die ihnen zustehende Gebühr von vier Prozent bis zu einem Nettokaufpreis von 50.000 Euro verzichten? Nein, erklärt Rechtsanwalt Alfred Noll im Gespräch mit dem STANDARD, "laut Urheberrecht ist der Folgerechtsanspruch im Voraus nicht verzichtbar und muss eingehoben werden". Derlei sei gesetzeswidrig.

Otto Hans Ressler, seit 1994 im Auktionsgeschäft und Mitglied der WKKS-Jury, winkt auf Anfrage ab: Es handle sich hierbei ja um Privatverkäufe, auch bei der Benefizauktion, die nicht diesem Gesetz unterliegen würden. Er verweist auf die dort angeführten "Vertreter des Kunstmarktes", und ein solcher sei der Rotary Club wohl nicht. Laut Noll handle es sich bei der im Gesetz angeführten Aufzählung nur um eine beispielhafte. Es habe eher den Anschein, "als ob hier eine zwingende gesetzliche Vorschrift umgangen werden soll". Einerlei, wo kein Kläger, da bekanntlich auch kein Richter.

Teilnahmeberechtigt waren heuer Künstler, die "das 35. Lebensjahr zum Stichtag 1. Mai 2017 noch nicht beendet" hatten. Zugelassen waren "alle Arbeiten auf Papier", ausgenommen "reine, grafisch oder digital unbearbeitete, Fotografie". Insgesamt bewarben sich online 899 Kunstschaffende (mit jeweils drei Werken) aus 55 Nationen. Daraus nominierte die Jury unter dem Vorsitz von Mumok-Direktorin Karola Kraus 27 Künstler. Am 31. Mai kürte man in den Hofstallungen des Mumok die Preisträger: Melanie Dorfer (1, Novomatic), Charlotte Perrin (2, Csernohorsky) und Teresa Peltram (3, Cleanbird).

Die Kunstwerke wurden einerseits im historischen Saal präsentiert und andererseits in den Vorräumen (u. a. vor den Sanitäranlagen) am Boden abgestellt, wie Teilnehmer schilderten. Das Ganze hinterließ bei einigen Künstlern einen schalen Beigeschmack. Vor allem angesichts der nachträglich einsetzenden Verhandlungen, die man als respektlos empfand.

Denn die zur Preisverleihung geladenen Rotarier und andere Gäste waren nicht in Kauflaune. Ein sogenannter "Nachverkauf", erklärt Gerhard Feuchtmüller, amtierender Präsident des RC Wien-Albertina und Partner bei Deloitte Österreich, sei auch auf Wunsch der Künstler initiiert worden. "Um die Chancen für einen Verkauf zu erhöhen", informierte er die Künstler via Mail, habe man Jurymitglied Otto Hans Ressler gebeten, "eine Expertenschätzung betreffend den Marktwert Ihrer Bilder durchzuführen".

"Faire" 70 Euro

Feuchtmüller bat um Mitteilung, ob man mit den reduzierten Preisen einverstanden sei und, "falls nicht, welche minimale Preisvorstellung" man habe. Die neu kalkulierten Werte lagen bis zu 60 Prozent unter den ursprünglich von den Künstlern kalkulierten. Sie seien mehrheitlich viel zu hoch angesetzt und damit unrealistisch gewesen, betont Ressler.

Die Mehrheit der Künstler ließ sich nicht darauf ein, auch Marianne Vlaschits nicht. Sie hatte, die Verkaufsprovision des Clubs berücksichtigend, für ihre Werke je 1500 Euro verlangt. Die Ressler-Schätzung belief sich auf 600 Euro. Im Falle eines Verkaufs hätte sie folglich 300 Euro erhalten, abzüglich der Materialkosten, etwa für den in der Ausschreibung vorgegebenen Rahmen, wären ihr gerade einmal 70 Euro geblieben. Dass ein solcher Vorschlag der rotarischen Frageprobe "Ist es fair für alle Beteiligten?" entspricht, darf bezweifelt werden. (Olga Kronsteiner, Album, 23.6.2017)