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Die Republikaner wollen Obamacare rückgängig machen. In Chicago wurde für den Erhalt des Gesundheitssystems demonstriert.

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Die Demonstranten in Chicago vergleichen Trump mit Ebenezer Scrooge, dem herzlosen Geldverleiher aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens.

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Es ist noch keine zwei Wochen her, da saß Donald Trump mit 15 Senatoren beim Mittagessen und beklagte sich über die Gesundheitsnovelle des Repräsentantenhauses. Einige glaubten sich hinterher zu erinnern, dass er das Paragrafenwerk schäbig, gemein und knauserig nannte, obwohl er es im Mai noch als glänzenden Sieg gefeiert hatte. Jedenfalls weckte der Einwurf Hoffnungen, dass die kleinere Parlamentskammer abschwächen würde, was die Republikaner der größeren an drakonischen Sparvorschlägen unterbreitet hatten. Nun, da auch der Gesetzentwurf des Senats vorliegt, spricht Trumps Amtsvorgänger Barack Obama von einer "fundamentalen Gemeinheit".

Wochenlang hat Mitch McConnell, der Mehrheitsführer des Senats, streng geheim mit zwölf Parteifreunden beraten. Zwei Flügel galt es zu versöhnen: die Erben der Tea Party, die staatliche Zuschüsse drastisch begrenzen wollen, und die moderaten Republikaner, die die Rache verärgerter Wechselwähler fürchten. Was McConnell schließlich präsentierte, ist nach Ansicht von Experten ein mittleres Fiasko. "Wir sind enttäuscht, weil die Novelle trotz gegenteiliger Versprechungen Millionen von Menschen ihres Versicherungsschutzes berauben wird", lässt etwa die Association of American Medical Colleges wissen.

Einschnitte bei Geringverdienern

Der tiefste Einschnitt ist bei Medicaid geplant, dem steuerfinanzierten Gesundheitsprogramm für Geringverdiener, auf das fast 70 Millionen Amerikaner angewiesen sind. Zum ersten Mal in den 52 Jahren, in denen es Medicaid gibt, soll limitiert werden, was der Fiskus in Washington den Bundesstaaten überweist. Da sich die Kostenlawine im Gesundheitssektor nach allen bisherigen Erfahrungswerten kaum stoppen lässt, bedeutet die Obergrenze, dass die einzelnen Staaten deutlich mehr für Medicaid ausgeben müssen. Viele dürfte das überfordern, sodass Leistungskürzungen die unvermeidliche Folge wären.

Teure Prämien für Ältere

Zudem soll Uncle Sam Subventionen zurückfahren, die es Selbstständigen mit niedrigem oder durchschnittlichem Einkommen ermöglichen, eine Polizze zu erwerben. Wobei dies nicht ganz so drastisch geschieht, wie es das Abgeordnetenhaus angepeilt hatte. Steueraufschläge auf Kapitalerträge, einst beschlossen, um Obamacare zu finanzieren, fallen wiederum weg. Entfallen soll auch die Strafe, die bislang berappen muss, wer auf eine Krankenversicherung verzichtet. Letzteres dürfte die Solidargemeinschaft der Versicherten schrumpfen lassen – und die Prämien für Ältere verteuern.

Trump hatte die Defizite der Reform Obamas zum Anlass genommen, um das Projekt für tot zu erklären. Rasant steigende Beiträge, Versicherungskonzerne, die sich aus manchen Landstrichen komplett zurückziehen, weil es sich nicht mehr rechnet: Obamacare, dröhnte der Präsident, sei ein Desaster. Angesichts der Sparorgie orakeln die Demokraten, dass das Desaster nun erst recht seinen Lauf nimmt.

Dies sei kein Gesundheitsgesetz, schrieb Obama auf seiner Facebook-Seite, sondern ein massiver Vermögenstransfer zugunsten der reichsten Menschen in Amerika. "Simpel formuliert, wenn du krank wirst, alt bist oder eine Familie gründest – diese Novelle wird dir schaden", schob der Ex-Präsident hinterher. Geht es nach Trumps Willen, so soll bis zum Nationalfeiertag am 4. Juli alles unter Dach und Fach sein.

Mindestens fünf Gegenstimmen

Allerdings brauchen die Republikaner mindestens 50 Senatorenstimmen, soll ihre Skizze das fällige Votum überleben. Mehr als zwei Abweichler in den eigenen Reihen können sie sich also nicht leisten. Bis Freitagabend hatten fünf republikanische Senatoren, unter ihnen die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Ted Cruz und Rand Paul, ein Nein angekündigt, falls nicht nachgebessert wird. Der Entwurf, sagt Paul, erinnere ihn noch immer zu sehr an Obamacare. (Frank Herrmann aus Washington, 23.6.2017)