Schluss mit lustig: Lewis Hamilton vs. Sebastian Vettel.

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Baku – Sebastian Vettel hielt noch lange nach dem Eklat von Baku an seiner Sichtweise fest. Wie ein bockiges Kind schmetterte der WM-Spitzenreiter jede kritische Frage zu seiner fragwürdigen Attacke gegen den großen Rivalen Lewis Hamilton ab – und provozierte damit eine Kampfansage des Engländers. "Wenn er zeigen will, dass er ein Mann ist, soll er aus dem Auto steigen, und wir machen es uns von Angesicht zu Angesicht aus", sagte Hamilton.

Silberpfeil gerammt

Nach dem Großen Preis von Aserbaidschan gibt es wohl kein Zurück mehr: Das lange von Respekt geprägte Duell der Formel-1-Stars ist auf einmal hochexplosiv. "Er hat vorsätzlich gebremst. So sah es für mich aus. Ich konnte nicht rechtzeitig reagieren und bin ihm reingefahren. Man beschleunigt nicht hinter dem Safety Car aus einer Kurve und bremst dann", sagte Vettel zu den Ereignissen in Runde 20 und rechtfertigte mit dieser Auslegung den eigentlichen Skandal: Der Ferrari-Pilot sah nämlich anschließend rot, fuhr neben den Mercedes des Briten, gestikulierte wild in Richtung Hamilton und rammte dessen Wagen seitlich.

"Die Formel 1 ist etwas für Erwachsene. Er hat vorher meinen Frontflügel beschädigt und auch sein Heck ein bisschen, das war nicht nötig", sagte Vettel, der den Vorsatz seiner Tat nicht bestritt. Die internationalen Medien gingen hart mit dem Deutschen ins Gericht. "Er hätte die schwarze Flagge sehen müssen, schließlich hat er sich ja auch wie ein Pirat benommen", schrieb die "Daily Mail" und nannte die Aktion ein "billiges Manöver eines Hochbegabten". "In einem chaotischen Match verliert Vettel wie ein Teenager den Kopf", kritisierte der "Corriere della Sera", und die spanische "As" stellte fest: "Vettel spielt plötzlich verrückt."

Vettel: "Ich bin nicht einverstanden"

Obwohl er beim Sieg des Australiers Daniel Ricciardo (Red Bull) noch vor Hamilton Vierter wurde und dadurch seinen Vorsprung nach dem achten von 20 WM-Läufen auf 14 Punkte ausbaute, konnte sich der Vettel nicht beruhigen. Im Gegenteil: Dass die Rennkommissare ihn mit einer Zehn-Sekunden-Zeitstrafe belegten und Hamilton freisprachen, war für Vettel inakzeptabel. "Ich bin damit nicht einverstanden. Wenn man mich bestraft, muss man auch ihn bestrafen", sagte der 29-Jährige. Er bekam außer der Zeitstrafe auch noch drei Strafpunkte, von denen er mittlerweile bereits neun hat. Zwölf Strafpunkte innerhalb eines Jahres bedeuten eine Sperre für ein Rennen.

Moralische Unterstützung bekam Vettel von seinem früheren Team Red Bull. "Hamilton hat einen Bremstest mit Seb gemacht. Er hat ihn provoziert. Da hat er sich revanchiert", sagte Motorsportberater Helmut Marko. Die spanische Zeitung "El Mundo Deportivo" sieht das ähnlich: "Hamilton bremst unerwartet an der Grenze des Erlaubten." Vor allem in den italienischen Blättern bekommen beide ihr Fett weg: "Verkehrsrowdys! Hamilton und Vettel haben das Schlechteste aus ihrem Repertoire zur Schau gestellt" ("Corriere dello Sport"), "Bei einem Fußballmatch hätten beide Rot gesehen" ("Repubblica"), "In Baku verhalten sich die beiden Starpiloten wie zwei undisziplinierte Autofahrer" ("Corriere della Sera").

Lauda: "Riesenfoul von Sebastian"

Hamilton, der den Sieg letztlich wegen eines gelockerten Nackenschutzes verlor, hatte für diese Sicht kein Verständnis. "Sebastian hat sich selbst beschämt. So sollte sich ein viermaliger Weltmeister nicht benehmen", sagte der selbst mit drei Titeln dekorierte Engländer. Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda sah "ein Riesenfoul von Sebastian", auch Motorsportchef Toto Wolff legte seine anfängliche Zurückhaltung ab: "Es geht mir einfach nicht in den Kopf, dass ein vierfacher Champion einem Gegner ins Auto rumpelt! Im Moment kann ich nicht nachvollziehen, was da in ihm vorgegangen ist."

Allerdings darf es nicht überraschen, dass der Titelkampf an Schärfe gewinnt, der Druck steigt mit jedem Rennen. "Was heute passiert ist, hat ihre Beziehung sicher nicht verbessert", sagte Wolff. "Es ist ein so intensiver Titelkampf, da bist du im Krieg, es geht um alles." (sid, 26.6.2017)