Warschau/Wien – Fernsehen und Radio hat Polens Regierung bereits unter Kontrolle. Nun gerate die Presse ins Visier, warnen Kritiker. Sie machen sich Sorgen über die geplante "Repolonisierung", mit der die Regierung Printtitel ausländischer Verlage zurückkaufen will.

Drohen der Medienfreiheit in Polen weitere Einschnitte? Kritiker der Warschauer Regierung sind sich dessen sicher. In einem ersten Schritt brachte die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bereits 2015 Radio und Fernsehen unter ihre Kontrolle. Nun habe sie die Presse im Visier, warnt die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG). Bauchschmerzen bereitet den Aktivisten ein neues Mediengesetz, das die PiS noch in diesem Jahr vorlegen will. Mit der "Repolonisierung" der Presse wollen die Nationalkonservativen Dutzende Zeitschriften, Regionalzeitungen und Magazine ausländischer Verlage in polnische Hand bringen. Und zwar in die des Staates, wie Kritiker befürchten.

Medienbetriebe bisher in ausländischer Hand

Die Präsenz deutschsprachiger Verlage ist nach Angaben von Polens Wirtschaftskammer (KIG) groß. Medienhäuser wie die Bauer Gruppe, Passauer Neue Presse oder Ringier Axel Springer Media AG bringen dort Lokalzeitungen, Boulevardblätter wie "Fakt" oder das Politik-Magazin "Newsweek" heraus. In den 90er-Jahren lieferten sie das in Polen fehlende Kapital und stabilisierten so den Medienmarkt, erklären Wirtschaftsexperten die Rolle ausländischer Verlage in Polen.

"Polens Medienmarkt ist der größte in Mittel- und Osteuropa", so die Einschätzung von Reporter ohne Grenzen, "die meisten Privatsender und Printprodukte sind in ausländischer, vor allem deutscher Hand."

Laut Vize-Kulturminister Jaroslaw Sellin sind 80 bis 90 Prozent der polnischen Lokalblätter in ausländischem Besitz. "Ein Missstand, der behoben werden muss", so der Politiker. Per Gesetz will die PiS die Printtitel nun zurückkaufen. Das Kulturministerium arbeitet an dem entsprechenden Entwurf. Die Konzentration der Medien in ausländischer Hand schade der unabhängigen Berichterstattung, argumentiert die PiS.

Politischer Druck sei vorprogrammiert

Wirtschaftsexperten warnen, die PiS-Reform drohe zur politischen Revolution auf Kosten von Steuerzahlern zu werden. Würden Verlage mit ausländischem Kapital einfach von staatlichen Firmen übernommen, sei politischer Druck auf die Medien quasi garantiert. Diesen bekommt die polnische Presse schon jetzt zu spüren: Seit dem Regierungswechsel stellten staatliche Firmen ihre Werbung in kritischen Blättern ein und brachten so die "Gazeta Wyborcza" oder "Rzeczpospolita" um große Teile ihres Budgets. In vielen Ministerien wurden außerdem die Abos zugunsten regierungsnaher Blätter zurückgefahren.

Kritiker bemängeln, dass an dem Gesetzesvorhaben über die Köpfe der betroffenen Medienakteure hinweg gearbeitet werde. Dabei sei eine gute Lösung nur im Dialog mit Verlagen, Journalisten und Kulturinstituten möglich. Hinzu kommt die Befürchtung, bei dem Vorgehen gegen ausländische Medien stehe der Wunsch, regierungskritischen Berichten, die PiS-Anhängern ein Dorn im Auge sind, einen Riegel vorzuschieben.

Einschränkung der Pressefreiheit

Unter der Regierung der Nationalkonservativen verlor Polen auf der Weltrangliste der Pressefreiheit von ROG 36 Plätze – 2017 landete das Land auf Position 54 von 180. "Fernsehen und Radio sind unter Kontrolle der Machthaber", warnt ROG und kritisiert, dass Chefs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seit der ersten Reform von der Regierung ernannt werden.

Die Auswirkungen seien nicht zu übersehen: Zahlreiche Journalisten wurden ganz entlassen oder zumindest durch Kollegen rechtskonservativer Medien ersetzt. Außerdem häuften sich Beschwerden wegen Regierungspropaganda und Zensur im öffentlich-rechtlichen TV, kritisiert die Organisation, die sich für Pressefreiheit weltweit engagiert.

Berichterstattung in Superlativen

Bei den regierungsnahen Sendern würden alle Handlungen der PiS in Superlativen dargestellt, beobachtet auch Kinga Gorska, Chefredakteurin der Medienplattform "Crowdmedia.pl". Als sich bei der Wiederwahl des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk Polen gegen alle EU-Partner stellte, wurde das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als Beweis für die Standhaftigkeit Polens gefeiert. Im Rest Europas galt der polnische Widerstand eher als blamabel für die Regierung. Neutralität in der Berichterstattung vermisst Gorska auch im gegnerischen Lager. Die Medien seien gespalten, stellt sie fest: "Sie kreieren Wirklichkeiten statt objektiv zu berichten."

Die neue PiS-Reform dürfte die Diskussion um Polens Medienfreiheit weiter anheizen. Details stehen noch nicht fest, doch sehen Wirtschaftsvertreter neuen Ärger mit der EU-Kommission heraufziehen, die nach einer umstrittenen Justizreform bereits prüft, ob es dabei Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit gibt. Eine mögliche Zwangspolonisierung der Medien würde gegen EU-Recht verstoßen, sagen die Experten. (Natalie Skrzypczak, APA, 26.6.2017)