Posieren im Badeoutfit: Julian Schmid.

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Auf dem Bundeskongress überzeugte er die Delegierten mit einem Plädoyer für die Jungen.

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STANDARD: In den vergangenen Jahren hat man von Ihrer Arbeit im Nationalrat wenig mitbekommen. Warum?

Schmid: Die Frage ist, wer diesen Eindruck hat. Wenn Sie junge Menschen fragen, sehen die das nicht so. Ich war extrem viel unterwegs, zu Diskussionen in Schulen, mit Jugendorganisationen. Da kennen mich sehr viele. Ich befürchte, dass ältere Menschen, und die sitzen auch in den Chefredaktionen der Medien, oft nicht so interessiert sind an der Meinung junger Leute. Fragen Sie junge Menschen – da kriegen Sie ein anderes Bild.

STANDARD: Wenn es nur darum geht, Zielgruppen-PR für Jugendliche zu machen, müssten Sie aber nicht im Parlament sitzen.

Schmid: Doch. Weil ich in vielen Ausschüssen sehr aktiv an Verbesserungen arbeite. Ich bin dran an den Maklergebühren, ich will, dass diese wegfallen – weil Mietkosten ganz viele Junge betreffen. Da habe ich mir ganz schöne Proteste von der Immobilienlobby anhören können.

STANDARD: Junge Menschen sind vielfältig – das sind Millionärskinder genauso wie unbegleitete Flüchtlinge. Was ist da die gemeinsame Klammer?

Schmid: Klar, die Jungen sind divers, das ist mir bewusst. Aber ich weiß nicht, ob es in den letzten Jahren andere Politikerinnen und Politiker in Österreich gegeben hat, die mit mehr jungen Menschen in Kontakt waren als ich. Ich habe dadurch ein gewisses Grundgefühl verstanden: Meine Generation ist aufgewachsen mit Finanzkrise, stagnierendem Wachstum, prekären Jobs, Klimawandel – das hat sich eingeprägt. Das ist die vereinende Klammer.

STANDARD: Welche Angebote machen Sie Menschen mit diesem Grundgefühl?

Schmid: Die neoliberale Politik gibt Fake-Antworten, wo alle auf sich allein gestellt sind. Hast du in der Schule Probleme, heißt es: Hol dir Nachhilfe. Wenn die Mieten unleistbar sind, heißt es: Dann spar auf eine Eigentumswohnung. Das ist absurd. Was es braucht, ist eine solidarische Alternative, ein starker Sozialstaat. Eine gute Grundsicherung, die keine Falle, sondern ein Sprungbrett ist, mit Weiterbildungsmöglichkeiten, aber auch flächendeckende Kinderbetreuung, ein Schulsystem, das Chancen bietet.

STANDARD: Aber gerade bei männlichen Jungwählern gibt es große Sympathien für die FPÖ – also für einen schwach ausgebauten Sozialstaat. Wie wollen Sie diese Menschen vom Gegenteil überzeugen, wenn Sie im Sommer als Schnupperlehrling in fünf Unternehmen tätig sind?

Schmid: Ich mache die Schnupperlehre nicht, um Jugendliche zu überzeugen. Ich bin dort, um zuzuhören und zu verstehen, wie es Lehranfängern geht. Ich bin mir bewusst, dass ich Matura und ein Studium gemacht habe – wie mein Vater und meine Brüder. Bildung wird vererbt. Darum ist es mir ein Anliegen zu erfahren, was ein Schnupperlehrling die erste Woche lernt.

STANDARD: Gibt es bei den Grünen denn keine Funktionäre, die selbst eine Lehre gemacht haben und nicht erst schnuppern müssten?

Schmid: Doch, gar nicht so wenige. Wo Sie recht haben: Ich habe selbst viel drüber nachgedacht, warum manche Lehrlinge von grüner Politik noch nicht so überzeugt sind. Ich sage: Das muss nicht so sein. Umweltpolitik ist der Jobmarkt der Zukunft. Europa ist die Zukunftsfrage Nummer eins, das betrifft Lehrlinge, das betrifft alle.

STANDARD: Es wird wohl niemand etwas einzuwenden haben, dass Sie Kontakte zu Lehrlingen pflegen. Wenn man aber so tut, als wäre man selbst einer, dann setzt man sich eventuell dem Vorwurf aus, man halte die Öffentlichkeit für blöd.

Schmid: Das sehe ich anders. Ich schaue mir an, wie man sich fühlt, wenn man eine Lehre startet. Ich habe dann viel Kontakt mit den Lehrlingen vor Ort. Mir ist bewusst, dass ich die volle Lebensrealität von Lehrlingen nicht mitkriegen kann. Die Betriebe und Lehrlinge freuen sich sehr, dass ich angefragt habe. Die finden das super, dass jemand kommt und sich das in der Praxis anschaut.

STANDARD: Für die Betriebe ist es ja durchaus Gratiswerbung, wenn Sie fröhliche Bilder auf Facebook stellen.

Schmid: Es ist aber vor allem für die Jugendlichen ein Signal, dass hier einer kommt, ein Politiker kommt, der ihre Lebensrealität kennenlernen, der ihre Probleme erfahren will und der sie ernst nimmt. Ob die Betriebe dann davon profitieren, ist mir eigentlich egal. Vielleicht haben sie sich's sogar ein bisschen verdient, immerhin bilden sie – im Gegensatz zu vielen Unternehmen – noch Lehrlinge aus.

STANDARD: Wenn Sie in fünf Jahren zurückschauen, worauf werden Sie stolz sein?

Schmid: Dass wir die Nationalratswahl gut geschlagen haben und die FPÖ in der Regierung verhindert haben, um Rechtsstaat und Sozialstaat zu verteidigen, Europa zu verteidigen.

STANDARD: Auf einer Skala von 1 bis 10, wie überrascht waren Sie, dass Sie Peter Pilz geschlagen haben?

Schmid: Das geht schon eher Richtung 10. Für den vierten Platz haben ja viele kandidiert. Ich bin überwältigt, dass ich die Unterstützung erhalten habe.

STANDARD: Werden Sie weniger öffentliche Grünen-Kritik äußern als Pilz?

Schmid: Peter Pilz war immer ein Vorbild von mir. Es ist bedauerlich, dass er nicht weiter kandidiert. Ich bin sicher, er hätte den sechsten Listenplatz gekriegt.

STANDARD: Ihr Name wird vor allem mit ein paar unfreiwillig komischen PR-Maßnahmen assoziiert – etwa das Badehosenfoto. Muss jugendspezifischer Wahlkampf peinlich sein?

Schmid: Das ist nicht peinlich, es ist nur anders. Meine Generation kommuniziert anders. Nennen Sie es Augenzwinkern oder Optimismus. Viele Vertreter älterer Generationen können das nicht nachvollziehen, auch in den Medien. Dazu kommt, dass junge Menschen andere Medienkanäle als die klassischen Zeitungen nutzen. Ich habe immer darauf geschaut, dass ich zeitgemäß kommuniziere. Dass das manchmal poppig ist, ist mir klar. Aber wer genau hinschaut, sieht, für welche Inhalte ich immer gestanden bin. Beispiel Zentralmatura: Meine Parlamentsrede zum Thema wurde 300.000-mal angeschaut. Ich glaube, viele Junge fühlen sich von mir vertreten, weil ich eben nicht wirke wie ihre Eltern und Lehrer. (Maria Sterkl, 27.6.2017)