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Für Taucher und Surfer dürften die Meere ohne Megalodon (hier sein rekonstruiertes Gebiss) ein Stückchen sicherer geworden sein. Die ökologische Rolle des Hais, der große Wale jagte, blieb nach seinem Aussterben aber weitestgehend unbesetzt.

Foto: REUTERS/Alexander Demianchuk

Zürich/Wien – Die Erdgeschichte ist an Katastrophen festgemacht. Die Grenze zwischen zwei Erdzeitaltern wird dort gezogen, wo sich deutliche Veränderungen im Fossilbericht abzeichnen. Was letztlich nichts anderes bedeutet als: Zu diesem Zeitpunkt muss etwas geschehen sein, das viele der älteren Tierarten aussterben ließ.

Manche dieser sogenannten Massenaussterbeereignisse – etwa das Ende der großen Dinosaurier vor knapp 66 Millionen Jahren – sind weithin bekannt, andere weniger. Und es gab offenbar auch welche, die man bislang komplett übersehen hatte. Ein solches haben nun Forscher der Universität Zürich und des Naturkundemuseums Berlin identifiziert. Es fand vor zwei bis drei Millionen Jahren in den Meeren statt und betraf vor allem große Tiere.

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Seekühe aus der Dugong-Verwandtschaft tummelten sich vor dem Beginn der Eiszeit auch noch an den Küsten des Mittelmeers.
Foto: Linda Lombardi/AP/dapd

Mit dem Zeitalter des Pliozäns ging vor 2,5 Millionen Jahren eine warme und relativ stabile Periode zu Ende. Als sich in seiner Schlussphase mit einer Abkühlung das Quartäre Eiszeitalter ankündigte, starben zahlreiche Arten großer Meeresbewohner aus. Die Vielfalt unter Walen, Meeresschildkröten und Pinguinen nahm deutlich ab, die Seekühe verschwanden aus dem Mittelmeer und auch einige besonders exotische Spezies gingen verloren: etwa Thalassocnus, ein menschengroßes Faultier, das nach Tang tauchte, und der mit 15 bis 20 Metern Länge größte Hai aller Zeiten, Megalodon.

Bisher hatte man gedacht, das Verschwinden dieser Spezies sei Teil des normalen Prozesses des Aussterbens und Neuentstehens von Arten und die Vielfalt in den Meeren sei über viele Millionen Jahre hinweg insgesamt stabil geblieben. Ein Forscherteam um Catalina Pimiento von der Uni Zürich bilanziert nun im Fachjournal "Nature Ecology & Evolution" aber, dass die Ereignisse im ausgehenden Pliozän alles andere als normal gewesen seien. Sie errechneten aus dem Fossilbericht, dass die Aussterberate unter der marinen Megafauna damals dreimal so hoch war wie im Rest der Erdneuzeit. Das ist ein eindeutiger Trend.

36 Prozent der Gattungen großer Meeres- und Küstenbewohner schafften es nicht bis ins nächste Zeitalter. Bei Säugetieren betrug die Rate sogar 55 Prozent. Zwar breiteten sich im Anschluss neue Arten wie der Eisbär aus, doch konnte das den Verlust an Vielfalt nicht ausgleichen. Dieser Verlust ist laut Pimiento noch gravierender, wenn man nicht in simpler Anzahl an Spezies, sondern in "funktionalen Einheiten" rechnet, also die ökologische Bedeutung einer Tierart miteinbezieht. Es gibt sehr viel weniger Arten von Meeresriesen als von buchstäblich kleinen Fischen. Fällt eine aus, kann ihre ökologische Rolle daher nicht so leicht von einer anderen übernommen werden.

Vergleich zur Gegenwart

Der größte Teil der untersuchten Arten hatte in der neritischen Zone gelebt, dem flachen, lichtdurchfluteten und nährstoffreichen Teil des Meeres über dem Kontinentalschelf. Als der Meeresspiegel am Ende des Pliozäns sank, wurde diese Zone um mehr als ein Viertel reduziert, weil nun mehr Land trockenlag. Veränderte Meeresströmungen, etwa durch die Schließung der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika, könnten ebenfalls zum Massenaussterben beigetragen haben.

Dass es die Meeressäugetiere damals besonders schwer getroffen hat, sehen die Forscher als Warnung für die Gegenwart. Die Säugervielfalt war schon vor der Ausbreitung des Menschen nicht mehr so bunt wie wenige Millionen Jahre zuvor. Doch anstatt sich endlich erholen zu können, setzen ihnen nun neue Probleme wie Bejagung und Klimawandel sogar noch verstärkt zu. (Jürgen Doppler, 27.6.2017)