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Auf dem Prüfstand sind die Ergebnisse oft überraschend.

Foto: AP/Carlos Osorio

Wien – Interne Unterlagen der Technischen Entwicklung von VW lassen Zweifel darüber aufkommen, ob es Volkswagen mit der Behebung der Abgasmanipulationen beim Motortyp EA 189 tatsächlich ernst meint. In einem für den internen Gebrauch bestimmten, als vertraulich gekennzeichneten Papier der Technischen Entwickung EA mit dem Titel "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA189", das dem STANDARD vorliegt, wurden per 18. November 2015 die Zielwerte für den Ausstoß hochgiftiger Stickoxide (NOx) nach den Software-Updates für die Schadstoffklassen Euro-5, Euro-4 etc. festgehalten.

Und diese vom deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg abgesegneten Festlegungen geben VW einiges an Spielraum. Die Werte liegen für EU5 bei den bis September 2017 gängigen Abgasprüfungen auf dem Rollenprüfstand im Labor bei 20 bis 22 Grad 20 Minuten lang bei 120 km/h (NEFZ-Zyklus kalt) mit Emissionen von 160 Milligramm pro Kilometer zwar unter der EU-Vorgabe von 180 mg/km. Im echten Straßenbetrieb ("Real drive emissions"; RDE) erreichen die upgedateten Motoren die 180 mg/km freilich mitnichten. Da können die NOx-Emissionen drei bis fünf Mal so hoch ausfallen.

Weit über der Grenze

Das bedeutet in der Praxis einen Stickoxidausstoß von 540 bis 900 mg/km – also weit über dem gesetzlich zulässigen Grenzwert. Man könnte also den Eindruck gewinnen, VW habe nie vorgehabt, die inkriminierten Fahrzeuge in Ordnung, also auf jenen Stand zu bringen, den ab September 2017 zugelassene Motoren vorschriftsmäßig werden haben müssen.

VW weist das zurück. Für NOx-Emissionen im Straßenbetrieb habe der Gesetzgeber gar keine Grenzwerte festgelegt. "Die im Rahmen der Typgenehmigung vorgeschriebenen Grenzwerte gemäß NEFZ-Zyklus werden nach Durchführung der technischen Lösungen von allen Fahrzeugen mit Dieselmotoren des Typs EA189 uneingeschränkt eingehalten", teilte der Sprecher des Österreich-Importeurs Porsche Holding, Richard Mieling, unter Verweis auf die Freigabeentscheidungen von KBA und britischer Vehicle Certification Agency mit. Die Dieselfahrzeuge mit EA-189-Motor – allein in Österreich sind 388.000 Kfz betroffen, europaweit an die 1,6 Millionen – würden die Grenzwerte nach dem Softwareupdate nicht überschreiten.

Gerichte am Zug

Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn das österreichische Kraftfahrgesetz und die für Typgenehmigungen von Kfz maßgebliche EU-Verordnung 715/2007 unterscheiden nicht zwischen Abgaswerten am Rollenprüfstand (NEFZ) oder in freier Wildbahn (RDE). Beide sehen klar vor, dass nur solche Fahrzeuge zum Verkehr zugelassen werden, die keinen übermäßigen Schadstoffausstoß haben und Grenzwerte einhalten. Laut Artikel 5 der EU-Verordnung "rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, ... dass es unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung entspricht". Als Grenzwert für Euro-5 sind in Anhang 1 der Verordnung 180 mg/km angegeben.

Was "normale Betriebsbedingungen" sind, müssen wohl Gerichte klären. Denn VW-Händlern ist es eigentlich unmöglich, manipulierte Kfz gemäß Kaufvertrag in mängelfreien Zustand zu versetzen. Klagen können Verbraucher nur mehr bis Jahresende. (Luise Ungerboeck, 26.6.2017)