Sebastian Kurz und Christian Kern sind sich einig: Wer Pflege braucht, soll deshalb nicht Eigenheim und Sparbuch verlieren.

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Wien – Es könne jedem passieren, pflegebedürftig zu werden, deswegen müsse die Finanzierung der Pflege "solidarisch abgedeckt werden": So argumentiert Außenminister und ÖVP-Chef Sebastian Kurz seine Forderung nach einer Abschaffung des Pflegeregresses im Ö1-"Morgenjournal" am Dienstag. 150 bis 200 Millionen Euro soll das laut dem Kurz-Büro kosten, finanziert werden unter anderem durch einen "Stopp der Neuzuwanderung ins Sozialsystem" und "schlankere Strukturen" bei den Krankenkassen.

In der SPÖ zeigt man sich erfreut über den Vorstoß. "Es wäre ein großer, wichtiger Schritt, wenn wir das Ende des Pflegeregresses noch diese Woche im Parlament einbringen", sagt SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Er will der ÖVP noch am Dienstag einen entsprechenden Antrag übermitteln. SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern kündigte dann beim Besuch eines Pflegeheims an, noch am Donnerstag einen Antrag im Nationalrat einzubringen – auch ohne Einigung auf die Gegenfinanzierung. Das lehnt Kurz allerdings ab.

Finanzierung noch offen

Der ÖVP-Chef plant die Finanzierung aus dem Budget, die Gegenfinanzierung selbst soll über andere Maßnahmen erfolgen. Die SPÖ will das Aus des Regresses über eine Steuer auf Erbschaften und Schenkungen ab einer Million Euro gegenfinanzieren. Klubobmann Schieder hatte auch am Dienstag noch angekündigt, der ÖVP einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen. Im aktuellen Antrag findet sich die geforderte Steuer auf Erbschaften und Schenkungen ab einer Million Euro pro Erbe (dies soll 500 Millionen Euro jährlich bringen) im Antrag allerdings nicht.

"Die Finanzierungsfrage haben wir sauber zu lösen", meinte Kern dennoch, das heißt, als zweites wolle man dann auch die Erbschaftssteuer diskutieren. Derzeit sei es schwierig, eine politische Mehrheit zu finden. Gefragt, ob er die Erbschaftssteuer also erst in der nächsten Legislaturperiode verhandeln wolle, räumte der Kanzler ein, "realistisch betrachtet" gebe es derzeit großen Widerstand von ÖVP und FPÖ. Wenn es kurzfristig möglich wäre, wäre das "großartig", aber man stelle sich jedenfalls mit diesem Konzept am 15. Oktober zur Wahl.

Kurz lehnt den SPÖ-Vorschlag, den Pflegeregress noch diese Woche im Parlament zu beschließen, ohne konkrete Gegenfinanzierung ab. Manche neigten in Wahlkampfzeiten dazu, die Finanzierung beiseitezulassen, meinte Kurz in Richtung SPÖ. Eine Finanzierung über eine Erbschaftssteuer, wie von der SPÖ vorgeschlagen, hält Kurz für "nicht sinnvoll". Neue Steuern seien nicht der Ansatz der ÖVP.

Opposition an Bord

FPÖ, Grüne und Team Stronach haben sich am Dienstag ebenfalls für eine Abschaffung des Pflege-Regresses ausgesprochen. Die Freiheitlichen wollen ihren entsprechenden Antrag am Mittwoch im Nationalrat zur Abstimmung bringen. "Im Ausschuss haben SPÖ und ÖVP unseren Antrag noch abgelehnt. Wir werden morgen sehen, ob den heutigen Ankündigungen auch Taten folgen", sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl am Dienstag in einer Aussendung.

Die Grünen würden einer Abschaffung des Pflegeregresses ebenfalls zustimmen, wie deren stellvertretender Klubobmann Werner Kogler in einer Pressekonferenz betonte: "Ja eh, dann bitte her damit!" Allerdings müsse man bei der Gegenfinanzierung "seriös bleiben", meinte er in Richtung ÖVP. Die "Missbrauchskiste", bei der Obmann Sebastian Kurz einsparen wolle, gebe es nämlich überhaupt nicht. Kogler: "Diese Idee ist wirklich ein Destillat aus Holler."

Auch das Team Stronach tritt für eine Abschaffung des Pflegeregresses ein. "Aber wir wollen nicht im Gegenzug eine Erbschafts- oder Vermögenssteuer", sagte Klubobmann Robert Lugar am Dienstag in einer Pressekonferenz. Ein entsprechender Entschließungsantrag über eine gesetzliche Pflegeversicherung ist laut einer Aussendung bereits eingebracht. Dem SPÖ-Antrag werde man eben wegen der Erbschaftssteuer nicht zustimmen. Als Gegenfinanzierung reiche Lugar eine Verwaltungseinsparung. "Da ist viel Speck im System".

Kurz präsentierte zehn Punkte zur Gesundheitspolitik

Die gemeinschaftliche Finanzierung der Pflege ist einer von zehn Punkten zur Gesundheitspolitik, die Kurz am Dienstag vorstellte. Dazu zählt auch die verpflichtende Ausstattung von E-Cards mit Fotos der Versicherten. Das kostet zwar etwas, aber "was wirklich teuer ist, ist der Missbrauch, der hier möglich ist".

Für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum will Kurz bessere Jobs für Ärzte schaffen. "Es muss attraktiver werden für junge Mediziner, auch wirklich als Hausärzte arbeiten zu wollen. Es braucht eine bessere Kooperation vor Ort, um auch ordentliche Öffnungszeiten für die Menschen anbieten zu können", so Kurz im "Morgenjournal". Ob das mit einer besseren Dotierung von Kassenverträgen einhergeht, lässt er aber offen. (red, APA, 27.6.2017)