Fünf Monate nach seinem Amtsantritt hat US-Präsident Donald Trump mit einem Spruch des Obersten Gerichtshofs seinen wohl bisher prestigeträchtigsten politischen Sieg errungen. Der "Travel Ban", jener Einreisestopp für Reisende aus einigen mehrheitlich muslimischen Ländern, der im Jänner weltweit für Chaos und Proteste gesorgt hat, tritt nach vielem Hin und Her doch noch in Kraft – wenn auch in deutlich abgeschwächter und vorerst vorläufiger Form. DER STANDARD hat Antworten auf die wichtigsten Fragen dazu gesammelt.

Frage: Bedeutet der Richterspruch des Supreme Court, dass Trumps Einreisebann nun Gültigkeit erlangt?

Antwort: Ja, wenn auch vorerst nur in einer abgeschwächten Form. Bundesgerichte in Maryland und Hawaii hatten im Frühjahr ja wichtige Teile von Trumps ursprünglichem Plan aufgehoben. Der Oberste Gerichtshof hat nun bekanntgegeben, dass er im Herbst über die Verfassungsmäßigkeit des Einreisebanns entscheiden werde – und einige Teile bis dahin in Kraft treten können. Die Urteile der untergeordneten Gerichte sind damit kassiert. Nach dem vorläufigen Spruch des Supreme Court gibt es keine Instanz mehr, die den Einreisestopp aufhalten kann. Geht es nach den Plänen Trumps, soll er binnen 72 Stunden in Kraft treten, also am Donnerstag. Einzig ein Sinneswandel des Präsidenten könnte den Travel Ban noch stoppen. Das erscheint jedoch eher unwahrscheinlich.

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In einer verwässerten Version wird der Travel Ban am Donnerstag in Kraft treten.
Foto: REUTERS/James Lawler

Frage: Reisende welcher Länder sind von diesem Bann denn nun betroffen?

Antwort: Menschen aus Syrien, Libyen, Somalia, dem Sudan, dem Jemen und dem Iran. Berichten zufolge soll Verteidigungsminister James Mattis dagegen interveniert haben, dass der Einreisestopp wie in der ursprünglichen Version vorgesehen auch Iraker betrifft, weil er die Zusammenarbeit mit Bagdad im Kampf gegen die Terrormiliz IS gefährdet sah. Hauptsächlich betroffen werden etwa Flüchtlinge sein, die weder über Familie noch über eine Arbeitsstelle in den USA verfügen. Um wie viele Menschen es sich handelt, ist schwer abzuschätzen. Insgesamt wurden 2015 nach Angaben des Außenministeriums 60.000 Non-immigrant-Visa an Bürger der betroffenen Staaten vergeben, davon etwa 30.000 an Iraner. Viele dieser Menschen fallen jedoch unter die Ausnahmeregelungen, die seit der Erstversion des Einreisestopps hinzugekommen sind.

Frage: Worin bestehen diese Ausnahmen?

Antwort: Der nun gültige Einreisestopp betrifft dem Obersten Gerichtshof zufolge nur "ausländische Staatsbürger, die keine Bona-fide-Beziehungen zu einer Person oder einem Rechtsträger in den Vereinigten Staaten haben". Diese etwas schwammige Formulierung bedeutet, dass Reisende aus den genannten Ländern, die Verwandte in den USA haben, über einen gültigen Arbeitsvertrag oder eine Zulassung zu einer US-Universität verfügen, nach wie vor einreisen dürfen. Die Entscheidung, wer die neuen Kriterien erfüllt und wer nicht, liegt bis zur Entscheidung der Höchstrichter in den Händen des US-Außenministeriums. Konflikte sind programmiert. Ob etwa eine Hotelbuchung als "Bona-fide-Beziehung" betrachtet wird, ist völlig unklar – und wird wohl erst in Gerichtsprozessen ausjudiziert werden. Anders als in Trumps ursprünglichem Dekret wird nun auch Besitzern von gültigen Visa oder einer Green Card die Einreise vorerst nicht verwehrt. Vor allem dieser Teil des Einreisestopps hatte zu Beginn des Jahres zu chaotischen Zuständen auf Flughäfen in der ganzen Welt geführt, weil Reisende ihre gebuchten Flüge in die USA nicht antreten durften und in den Transitzonen der Flughäfen gestrandet waren.

Frage: Wie ging die Abstimmung im Obersten Gerichtshof konkret aus?

Antwort: Alle neun Richter gingen mit dem adaptierten Plan d'accord. Es sei zwingend erforderlich, dass die Regierung die Sicherheit der Nation gewährleiste. Die drei konservativsten Richter, darunter der von Trump ernannte Neil Gorsuch, wollten der ursprünglichen, besonders strengen Variante grünes Licht geben. Aus Angst vor einer Lawine von Verfahren, die mögliche Sonderregelungen nach sich ziehen könnten, wie es heißt. Als Kompromiss einigte man sich auf den vorliegenden, nur teilweise umgesetzten Einreisestopp. Im Supreme Court stehen seit der Nachbesetzung in diesem Jahr fünf Konservative vier eher liberal gesinnten Richtern gegenüber.

Frage: Ist der Spruch der Richter in den Augen seiner Unterstützer nun ein Sieg für Trump?

Antwort: Es fällt schwer, dies anders zu bewerten. Das Gericht bestärkte den Präsidenten in dem wichtigsten – und umstrittensten – Projekt seines ersten Halbjahres. Die Regierung müsse die Nation schützen, erklärten die Richter. "Keep America Safe", feierte Trump den 9:0-Spruch denn auch auf Twitter.

Auch wenn der neue Einreisestopp stark verwässert erscheint, sendet er Trumps Wählern doch das Signal, der Präsident arbeite seine Agenda ab.

Frage: Was bedeutet das für das Ansehen der USA im Ausland?

Antwort: Das ist noch schwer abzusehen. Schon jetzt, fünf Monate nach Amtsantritt Donald Trumps, leidet die Reputation der Weltmacht unter dem neuen Stil in Washington. Einer Studie des Washingtoner Pew Research Center zufolge gaben von 40.000 zwischen Mitte Februar und Anfang Mai Befragten in 37 Ländern nur 49 Prozent an, ein positives Bild über die USA vor Augen zu haben. Vor allem in den unmittelbaren Nachbarländern Mexiko und Kanada leidet das Image der USA, aber auch in Westeuropa. Dort sind die Vereinigten Staaten nun wieder etwa so beliebt wie 2003, als George W. Bush militärisch im Irak intervenierte und damit Proteste auslöste. Unter Trumps Vorgänger Barack Obama hatten noch 64 Prozent eine vorteilhafte Meinung über das Land. Ob die neuen Einreiseregeln das verändern, bleibt abzuwarten. (flon, 27.6.2017)