Franz Grillparzer (1791-1872): Seine Bedeutung als staatstragender Künstler ist längst in Stein gehauen. Dabei hatte der Dramatiker zeitlebens mit der Zensur des Metternich-Regimes zu kämpfen.


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Wien – Die gut getarnte Humorkanone Franz Kafka meinte einmal über Franz Grillparzer: "Wenn sich unser Unglück von uns loslösen und frei umhergehen würde, es müsste ihm ähnlich sehen, jedes Unglück müsste ihm ähnlich sehen." Tatsächlich hat Franz Grillparzer mit seinem dramatischen Werk ja nicht nur etlichen Maturagenerationen dank liebloser oder einfach auch nur grundschlechter pädagogischer Vermittlung den Zugang zur Literatur oft gleich fürs Leben verstellt (O. k., ein wenig spielt dabei auch Adalbert Stifter eine Rolle).

Der nach seinem Tod mit Dramen wie König Ottokars Glück und Ende oder Sappho fälschlicherweise zum Nationalkünstler verklärte Franz Grillparzer hatte es in seinem Leben zwischen 1791 und 1872 auch rein von der persönlichen Disposition – erst zwischen dominanter Mutter und gefühlskaltem Vater und später einer Zerrissenheit zwischen staatstragendem Brotberuf als hoher Beamter und dem immerwährenden künstlerischen Kampf gegen die Zensur des Metternich-Regimes – sauschwer, wie man es wohl etwas niederschwellig ausdrückt.

Zaubermittel noch jeder Verfallsbiografie zusätzlich zu Griesgrämigkeit lauten Humorlosigkeit bei gleichzeitigem Narzissmus. Wehleidigkeit und leichter Verfolger bei streng egozentrischer Weltsicht tragen definitiv gesondert dazu bei, sich nicht wohlzufühlen: "In mir nämlich leben zwei völlig abgesonderte Wesen. Ein Dichter von der übergreifendsten, ja sich überstürzenden Phantasie und ein Verstandesmensch der kältesten und zähesten Art."

Die jetzt neu aufgelegte, aus seinem Nachlass stammende, 1853 fast 20 Jahre vor seinem Tod verfasste Selbstbiographie spricht diesbezüglich Bände. Allein die hier mit quälender Eindringlichkeit beschriebene Szene von Grillparzers Suche nach seinem Manuskript für das Trauerspiel König Ottokars Glück und Ende zählt zum Bittersten, das man über staatlichen Herrschaftsanspruch, Zensur und Unterdrückung lesen kann. Grillparzer hatte das Stück vor seiner Aufführung bei der Hofzensurstelle einreichen müssen, worauf es für ganze zwei Jahre in den Mühlen des bürokratischen Apparats verschwand. Die Demütigung des Künstlers gipfelt schließlich in einem Besuch bei einem gewissen Hofrat Gentz, der den Künstler ermattet wie arrogant in seinem Schlafgemach empfängt und erniedrigt.

Goethe klaubt Krümel

Allerdings ist nicht alles niederschmetternd in dieser zeit seines Lebens verständlicherweise nie veröffentlichten Selbstbiographie Grillparzers. Man erfährt in diesen schmal gehaltenen Erinnerungen also nicht nur Wesentliches über die Mechanismen staatlicher Unterdrückung beziehungsweise damit verbundene vorauseilende Selbstzensur eines tief im System selbst verankerten Künstlers.

Der Mann konnte trotz seiner privilegierten wie verhassten hohen Position als (tachinierender) Beamter im Finanzministerium sein Leben kaum einmal genießen. Und auch die künstlerische Anerkennung seitens zeitgenössischer Kollegen wie dem greisen Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine oder Ludwig van Beethoven findet in der Selbstbiographie eher unzufriedene Erwähnung. Das liest sich dann sehr unterhaltsam. So erinnert sich Grillparzer an einen Mittagstisch mit Goethe in Weimar wie folgt:

"Von den Tisch=Ereignißen ist mir nur noch als charakteristisch erinnerlich, daß ich im Eifer des Gesprächs, nach löblicher Gewohnheit, in dem neben mir liegenden Stücke Brod krümelte und dadurch unschöne Brosamen erzeugte. Da tippte den Göthe mit dem Finger auf jedes einzelne und legte sie auf ein regelmäßiges Häufchen zusamen. Spät erst bemerkte ich es und unterließ denn meine Handarbeit."

Grillparzer verzeiht ihm das nicht so ganz: "Er ist mir auch in der Folge nicht gerecht geworden, insofern ich mich nämlich denn doch, trotz allem Abstande, für den Besten halte, der nach ihm und Schiller gekomen ist. Daß das alles meine Liebe und Ehrfurcht für ihn nicht vermindert hat, brauche ich wohl nicht zu sagen."

Über weite, unfreiwillig heitere Strecken liest sich diese Selbstbiographie dann doch wie eine Nationaldichtung. Immerhin scheint das heimische Nörgeln und Raunzen und Selbstmitleidige wie kleinkariert Größenwahnsinnige hier begründet zu sein. (Christian Schachinger, 2.6.2017)