Linz – Chemische Prozesse im menschlichen Organismus lassen sich bisher nur an lebenden Tieren erforschen. Das ist nicht gerade einfach, zumal sich Tiere permanent bewegen und eine relativ dicke Haut haben. Mikroskopische Untersuchungsmethoden sind so nicht leicht möglich, weiß Jaroslaw Jacak, Professor für Physikalische Biochemie an der FH Oberösterreich.

Um die zellulären Vorgänge besser erforschen zu können, wird deshalb an der Herstellung biologischer Zellträgerstrukturen gearbeitet. Diese Materialien sollen die chemischen und mechanischen Eigenschaften biologischer Systeme möglichst umfassend nachahmen, weshalb der Wissenschaftszweig, der sich mit ihrer Entwicklung beschäftigt, auch Biomimetik genannt wird. Dringend gebraucht werden solche quasinatürlichen Stoffe nicht nur für die medizinische Forschung, sondern auch für Prothesen und Implantate.

Am österreichisch-tschechischen Center for Supracellular Medical Research an der FH Oberösterreich nutzt man die Möglichkeiten des 3D-Drucks, um Trägermaterialien herzustellen, auf die menschliche Zellschichten aufgebaut werden können. Mit einem für das Zentrum angefertigten 3D-Drucker werden zu diesem Zweck als Gerüst für die künftige Zellbesiedelung Strukturen im Mikro- bis Nanometerbereich produziert.

Nicht jedes Material geeignet

Da sich nicht jedes Material für diese Aufgabe eignet, wurden bisher über ein Dutzend Materialien und diverse Kombinationen durchgetestet. "Inzwischen haben wir bereits einige Polymere gefunden, auf welchen die Zellen, mit denen wir experimentieren, gut überleben können", berichtet Zentrumsleiter Jaroslaw Jacak. Diese wachsen dann innerhalb von ein bis zwei Wochen auf dem Material und formen eine Zellschicht.

Die Anforderungen an das Material sind hoch: "Wie beim Bau eines Hauses muss das Fundament stark und stabil sein", sagt der Forscher. Auch soll das Material ähnliche Eigenschaften wie menschliches Gewebe haben, also unter anderem eine gewisse Elastizität aufweisen, und sich überdies für unterschiedliche Analysemethoden eignen – etwa die Lichtmikroskopie oder die Messung der von den Zellen ausgesendeten elektrischen Ströme.

Grenzüberschreitende Kooperation

Da es sich bei diesem Projekt um eine grenzüberschreitende Kooperation im Rahmen des EU-Interreg-Programms handelt, verbindet es die Expertise tschechischer und österreichischer Forscher verschiedener Hochschulen und Universitäten. So helfen Physiologen der Med-Uni Wien bei der Auswahl der passenden Zellen, die auf dem Trägermaterial wachsen und gedeihen. Die Messungen wiederum werden in einem Speziallabor der Universität Budweis durchgeführt, während in Linz an der FH Oberösterreich und an der Johannes-Kepler-Uni die Forscher nach den optimalen Trägermaterialien suchen und die Strukturierung für die Fertigung mittels 3D-Druck entwickeln.

Mithilfe solcher im Labor gezüchteter biologischer Zellträgerstrukturen sollen im Rahmen des Projekts schließlich jene Mechanismen unter die Lupe genommen werden, die zu Cholesterin-bedingten Verengungen der Blutgefäße führen. "Für diese Untersuchungen fügen wir der Zellkultur von außen HDL-Partikel ('gutes' Cholesterin) und LDL-Partikel ('schlechtes' Cholesterin) bei und beobachten, wie diese die verschiedenen Zellebenen durchdringen", erklärt Jacak. So wollen die Forscher herausfinden, welche Mechanismen zur Ablagerung von Cholesterin in den Blutgefäßen beitragen und damit zu Arterienverkalkung führen oder Blutgerinnsel auslösen.

Parallel dazu will das Team auch virale Partikel ins Visier nehmen, für die sie allerdings erst ein passendes Zellträgermodell herstellen müssen. "Eines unserer Fernziele ist die Entwicklung eines Systems, mit dem man Pathogene dabei beobachten kann, wie sie durch die Zellen in den Hirnstamm gelangen", sagt Jaroslaw Jacak.

Dabei wollen die Forscher analysieren, wie es den Viren gelingt, die Blut-Hirn-Schranke zu durchdringen und so Krankheiten wie etwa die Frühsommer-Meningoenzephalitis FSME auszulösen. Damit eine Basis für Medikamentenentwicklungen entstehen kann. (Doris Griesser, 2.7.2017)