Das Elektronenmikroskop zeigt die feinen Strukturen der Lippen des korallenfressenden Fischs.

Foto: Victor Huertas und David Bellwood

Brisbane – Eine stachelige Schale über einer ziemlich dünnen Schicht Fruchtfleisch, unter der dann gleich wieder ein vergleichsweise riesiger harter Kern liegt: Bei Litschis stellt sich oft die Frage, ob die Ausbeute den Aufwand des Essens überhaupt wert ist. Es geht aber noch schlimmer: Bei Korallen liegt das Fleisch in einer dünnen Schicht zwischen einer Schleimdecke und einem harten, rasiermesserscharfen Kalkskelett und ist zudem noch durch giftige Nesselzellen geschützt.

Es ist also nicht überraschend, dass sich nur wenige Fischarten auf Korallen als Nahrungsquelle spezialisiert haben. Unter mehr als 6.000 Arten von Riff-Fischen gibt es, soweit bisher bekannt, nur 128 solcher Spezialisten, berichten australische Forscher im Fachmagazin "Current Biology". Einen davon, die Lippfisch-Spezies Labropsis australis, hat sich das Team um Victor Huertas und David Bellwood von der James Cook University näher angesehen.

Kraftvoller Schmatz: Labropsis australis attackiert einen Korallenstock.
Foto: Victor Huertas und David Bellwood

Labropsis australis setzt seine namensgebenden Lippen wie für einen Kuss auf die Koralle, um dann mit einem kräftigen Einsaugen möglichst viel von der schleimigen Oberflächenschicht der Koralle abzureißen. Erst bei Hochgeschwindigkeitsaufnahmen wurde deutlich, dass der Fisch nicht seine Zähne einsetzt, um zu fressen.

Das Elektronenmikroskop enthüllte zudem, dass der Fisch dafür spezialisierte Lippen entwickelt hat, wie man sie bei nahen Verwandten nicht findet. Letztere haben dünne und glatte Lippen, bei Labropsis australis hingegen sind sie fleischig und zeigen unter dem Mikroskop zahlreiche dünne Membranen, die eine Lamellenstruktur ähnlich der Unterseite eines Pilzhuts aufweisen.

Die wichtigste Eigenschaft dieser Lippen ist aber, dass sie voller hochproduktiver Drüsen stecken, aus denen ein Schleim quillt, der den Fisch offenbar vor dem Nesselgift der Korallen schützt. Bellwood vergleicht dies mit einer laufenden Nase ... nur seien es eben "laufende Lippen". (jdo, 30. 6. 2017)