Ein bisserl Jim Morrison musste sein. Ian Astbury von The Cult sucht am Mikroständer Halt.

Foto: Christian Fischer

Wien – Es dauerte nicht lange, und man dachte sich: geil. Geil wie in Sexualität. Denn darum geht es bei The Cult oft einmal. Ein bisserl um dunkle Romantik, etwas Dark Energy, aber letztlich um den Zustand der Vollzugslust. Das kann wie angestochen über den Highway brettern bedeuten oder hoffnungsfroh geduscht auf die Fotomodelparty gehen. Testosteron mit Stil.

Wobei der Stil, das kann man sagen, der ist über die Jahre besser geworden. So wie die Briten mit Wahlheimat Los Angeles am Donnerstag auf der Bühne der Wiener Arena standen, war es doch bedeutend einfacher, sich mit ihnen zu identifizieren als früher. In Rockerkluft – schwarze Fetzen, Sonnenbrille – standen The Cult zu fünft da und machten nichts falsch. Ian Astbury jaulte wie ein läufiger Gott, Billy Duffy referierte an der Gitarre furztrocken Rock 'n' Roll.

Musikalisch war das wie damals, als die Band in den 1980er-Jahren auftauchte und mit dem Willen, weltberühmt zu werden, ihr eigenes Universum erschuf. Das mit der Berühmtheit gelang trotz eines ganzjährigen Karnevalsoutfits. Astbury sah damals aus wie ein barocker Gartengestalter, der versucht, in die Gruftidisco zu kommen: Rüschen auf der Hemdbrust und Haare, für deren Erscheinungsbild der Drei-Wetter-Taft-Werbung die Worte fehlen.

Duffy, der für die Entstehung der Band The Smiths in einem früheren Leben nicht unwesentlich mitverantwortlich war, glaubte nicht nur an die erlösende Kraft von Stromgitarre und körperlicher Liebe, seine expressionistischen Vokuhilas sind Legende. Dermaßen aufgemascherlt spielten The Cult geradlinige, nach vorne drängende Rocksongs, die gern als hymnisch beschrieben wurden und Titel wie Nirvana, Love oder Rain trugen.

Schwarze Schafe

Angereichert wurden derlei Themen mit einem selbstgebastelten Mystizismus, der sich in Fantasiesymbolen niederschlug. Dazu bediente man sich eines Pathos, das die Band oft auf unfreiwillig komisches Terrain überführte. Ob es damals schon den Begriff Fashion-Victim gab, ist nicht mehr erinnerlich, doch am vom Hair- und Königspudel-Metal dominierten US-Markt, den sie knackten, fielen sie damit nicht weiter auf.

Von der Garderobe abgesehen schufen The Cult aus hartem Rock, mildem Metal und etwas Psychedelic ein paar großartige Alben: Love, Electric, Sonic Temple oder das titellose 1994er-Doppelabum mit dem schwarzen Schaf auf dem Cover. Artverwandte Bands wie The Sisters of Mercy (Gnade!) oder Leather Nun (Ach!) erstarrten bald in Lächerlichkeit oder verschwanden, The Cult blieben.

Zwar zerkrachte man sich öfter Rock-'n'-Roll-mäßig, checkte in der Betty-Ford-Klinik zwecks Trockenlegung ein, nahm Auszeiten, fand am Ende aber doch wieder zusammen. Astbury, gesegnet mit einer Stimme, die einem noch unter der speckigsten Lederpanier die Poren aufstellt, gelang dabei gar eine zweite Karriere.

Dresscode: Schwarz

Sein bekanntestes Nebenprojekt war die Darstellung des Jim Morrison in der Band The Doors of the 21st Century an der Seite von Ray Manzarek und Robby Krieger, mit der er um die Welt tourte. Aber wir schweifen ab. Wobei der Gestus des Jim Morrison natürlich Bestandteil des Bühnengebarens von The Cult war und ist, Astburys Frisur wirkt, als rechnete er jeden Moment mit einem Anruf Manzareks.

Die Schwere der Doors blitzte live kaum auf, es überwog eine Spiellaune, die von einem vom ersten Riff an begeisterten Publikum getragen wurde. Duffy weitgehend stoisch, Astbury als viriler Lumpi, der Mikrofonständer und Tambourins ständigen Stresstests unterzog. Ein paar härtere, zähere Songs taten der Chronik des Sets gut. Der Dresscode lautete "Schwarz" – mit ein paar von der reinen Lehre abgefallenen Ungehorsamen. Der volle Saal gab sich altersgemäßen und staturbedingten Formen der Ekstase hin, frohlockte bei Songs wie Peace Dog, streckte Arme und Finger zu Lil' Devil wie es auf Satans Gymnasium gelehrt wird und empfing unter Gejohle Titel wie She Sells Sanctuary oder erwähntes Nirvana, dessen marschierender Discobeat immer noch reingeht wie damals.

Am Ende waren vor und auf der Bühne alle glücklich und sich gewiss, dass dieser Abend nicht nur wegen der im Saal herrschenden Temperatur fucking hot war. (Karl Fluch, 30.6.2017)