Lena Späth (31) zog 2008 nach Teheran und hat seither unzählige Designperlen aufgespürt.

Foto: Hamed Farhangi

Über 400 Jahre alt ist dieses Haus in Isfahanmit typisch persischem Putz

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Lena Späth, "Behind Closed Curtains". € 49,90 / 304 Seiten, Eigenverlag. Bezug über www.allmyhippies.com

Foto: Hamed Farhangi

STANDARD: Über Architektur, Film, Kunst und Kultur im Iran ist viel geschrieben worden. Über Design und Einrichtung ist kaum etwas bekannt. Woran liegt das?

Lena Späth: Eine "Einrichtung", wie wir sie kennen, gab es im Iran lange gar nicht. Die Menschen saßen auf dem Boden, der gestalterische Schwerpunkt lag auf Kacheln und dem Teppich. Der Teppich war es, der den Grundriss des Hauses bestimmte, und nicht umgekehrt. Bei uns ist alles sehr funktional, dort sehr metaphorisch. Wir dekorieren in einen leeren Raum hinein, im Iran ist der Raum an sich das Dekor. Erst Mitte, Ende des 20. Jahrhunderts wurden Möbel im westlichen Sinne auch abseits aristokratischer und intellektueller Gesellschaftsschichten populär.

STANDARD: Vielleicht hat das Land gerade deshalb im Laufe der Zeit viele einzigartige Design objekte hervorgebracht?

Lena Späth: Neben den klassischen Stars wie Fliesen und Teppichen, die im Iran ihre ganz eigene, besondere Qualität haben, gibt es andere, wenig bekannte oder oft übersehene Objekte. Meine persönlichen Favoriten sind das persische Gartensofa, das Takht, das für Iraner sehr gewöhnlich daherkommt, aber jeden Ausländer zum Schwärmen bringt. Auch die Technik, mit gebrochenen Spiegeln Oberflächen wie Decken oder Wände zu dekorieren, ist atemberaubend und wird derzeit im Iran auch von Künstlern neu interpretiert.

STANDARD: Sie sind so fasziniert, dass Sie gleich ein Buch über iranisches Design geschrieben haben?

Lena Späth: Ja, aber eigentlich wollte ich Kriegsreporterin werden. Ich habe mich dann aber in sicherere Gefilde begeben. 2008, auf dem Höhepunkt des "magischen Dreiecks" Ahmadi-Nejad/Bush/Netanjahu, zog ich nach Teheran und war überrascht von dem Land, das gar nicht so düster war wie das Bild, das die Medien von ihm gezeichnet hatten: ein Land voller verborgener Schätze.

STANDARD: Sie sagen, dass die Häuser von außen oft gut aussehen, aber innen dann ganz anders. Woran liegt das?

Lena Späth: Viele junge Menschen sind ohne die Wertschätzung für ihre eigene Geschichte und Kultur aufgewachsen. Oftmals gab und gibt es die Auffassung, dass alles, was aus dem Westen kommt oder neu ist, besser ist als das, was man hat. Man muss sich nur vor Augen führen, dass Ministerpräsident Amir Kabir im Jahr 1850 iranische Kunsthandwerker nach St. Petersburg und Istanbul zur Fortbildung schickte, um die Nachfrage nach Luxusgütern im Land zu stillen. Heute ist es ein politisches Thema.

STANDARD: Inwiefern?

Lena Späth: Fragt man die Leute, warum es keinen Stil gibt in der Architektur und im Design, kommt die Antwort: Mit der Islamischen Revolution 1979 kam der Cut. Da wurden Geschichte und Kultur vergessen, da wurde alles gleichgemacht, und das Einzige, was zählte, war der Glaube. Und doch hat eben die Liebe für alles Westliche ihre Wurzeln schon in früheren Zeiten. Obwohl im Iran drei Viertel der Bevölkerung unter 40 Jahre alt sind und die meisten sehr gebildet, hat die wirtschaftliche Schieflage zu einer hohen Jugendarbeitslosigkeit geführt. Die Leute haben keine Zeit, sich mit Design zu beschäftigen – weil sie glauben, dass sie sich das ohnehin nicht leisten können.

STANDARD: Trotzdem haben Sie Menschen mit ganz erstaunlichen Wohnungen gefunden.

Lena Späth: Es gibt vor allem in den Städten eine kleine Gemeinschaft von Kreativen und Intellektuellen, die sich jetzt einrichten. Die meisten aber sind Leute, die während der Revolution das Land verlassen haben und dann in Amerika, Frankreich und Spanien gelebt haben. In Isfahan habe ich ein tolles Haus besucht von einem Landschaftsgärtner, dessen Familie mit der Revolution enteignet wurde. Sie gingen nach Frankreich, aber alle sind wiedergekommen. In Teheran traf ich einen Schmuckdesigner, der in einem alten Haus aus der Pahlavi-Zeit wohnt, er hat auf einem Ikea-Stuhl angefangen und hat heute eine große Designwerkstatt.

STANDARD: Das Land wird auch unter Touristen beliebter. Wo findet man die schönsten Häuser?

Lena Späth: Die Hotspots sind in der Hauptstadt Teheran und in Isfahan. In Kaschan gibt es viele Häuser, die gekauft und hergerichtet wurden, in manchen wie dem Boutiquehotel Manouchehri kann man auch wohnen. Das wurde von der Designerin Shahnaz Nader eingerichtet, die vor der Revolution für Knoll in Teheran gearbeitet und auch einen Palast des Schahs eingerichtet hat. Später hat sie in Tokio, London und New York gelebt, 1996 kam sie zurück.

STANDARD: Und wo kann man gut einkaufen?

Lena Späth: Wer auf dem Flohmarkt oder der Antiquitätenmeile in Teheran, der Manouchehri-Straße, nicht fündig wird, für den eignen sich Orte wie die Galerie Zeeen in Teheran. Auch junge Iraner werden kreativ und nutzen soziale Medien als Vertriebskanal: Das Label Fafa Coral Island beispielsweise, hinter dem eine junge Iranerin steckt, fertigt Hängematten aus Bambus und traditio nellen iranischen Stoffen an, bestellt und gekauft werden kann per Instagram. Instagram und Telegram haben als Social -Media-Kanal alles übernommen. Der Verkäufer postet ein Bild mit Beschreibung und Telefonnummer, der Kunde kann die Ware dann abholen oder bekommt sie geschickt. Für viele junge Iraner ist der Westen Verheißung, dabei liegen die größten Chancen gerade in ihrem eigenen Land. Interior-Design, Möbelherstellung, Renovierung, authentischer Tourismus – hier stehen ihnen noch alle Türen offen. (Florian Siebeck, 30.6.2017)