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Lavinia Ramirez macht das Klavierspielen sichtlich Spaß, was sicher dabei half, dass sie es so schnell meisterte. Erwachsene tun sich dagegen beim Erlernen eines Instruments bedeutend schwerer. Nach einer aktuellen Untersuchung an Mäusen könnte sich das aber ändern.

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Memphis/Wien – Als Lavinia Ramirez mit dem Klavierunterricht begann, war sie erst zwei Jahre alt. Keine sechs Wochen und acht Lektionen später bestritt sie ihr erstes Klavierkonzert und begeisterte ein 200-köpfiges Publikum mit ihrer virtuosen Darbietung. Auch wenn die kleine Britin aus Plymouth in der Grafschaft Devon zweifellos als Ausnahmeerscheinung gelten mag: Tatsache ist, dass Kindern das Erlernen von Musikinstrumenten oder auch Fremdsprachen oft mit spielerischer Mühelosigkeit gelingt.

Wer sich an die eigene Schulzeit zurückerinnert, weiß genau, dass das nicht so bleibt. Die bemerkenswerte Aufnahmefähigkeit der jungen Jahre schwindet vielmehr mit geradezu dramatischer Geschwindigkeit, und der Aufwand, eine neue Sprache oder ein Instrument zu erlernen, steigt mit dem Alter immer mehr an.

Hilfreicher Botenstoff

Wäre es nicht praktisch, wenn man diese Entwicklung umkehren könnte? US-Forscher haben nun einen Ansatzpunkt gefunden, der genau das ermöglicht – zumindest im Test mit Mäusen. Das Team um Jay Blundon und Noah Roy vom St. Jude Children's Research Hospital in Memphis, Tennessee, hat eine Substanz im Gehirn identifiziert, die mit auditivem Lernen in Zusammenhang steht.

Wie die Wissenschafter in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science berichten, haben sie bei erwachsenen Versuchstieren die Versorgung des sogenannten auditorischen Thalamus mit dem Neuromodulator Adenosin unterbunden. Daraufhin waren die Mäuse plötzlich in der Lage, ebenso effizient aus den Geräuschen ihrer Umgebung zu lernen wie Jungtiere. Der auditorische Thalamus stellt eine Art Relaisstation dar, in der Töne und Geräusche gesammelt und zur weiteren Verarbeitung ins Hörzentrum des Großhirns geschickt werden.

"Indem wir die Adenosin-Signalwege in dieser Gehirnregion unterbrachen, haben wir das Zeitfenster für auditives Lernen von Mäusen außerordentlich verlängert, und zwar weit ins Erwachsenenalter hinein", meint Koautor Stanislav Zakharenko. "Diese Ergebnisse eröffnen eine vielversprechende Strategie, um auch beim Menschen die nötige Plastizität in kritischen Regionen des Gehirns wiederherzustellen und so vielleicht das Erlernen von Sprachen oder musikalischen Fähigkeiten zu erleichtern."

Medikament in Sicht

Darüber hinaus zeigte sich in den Experimenten, dass die Blockierung des Adenosin-Rezeptors A1 im auditorischen Thalamus bei den Mäusen nicht nur dazu führte, dass sie sich einmal gehörte Töne mehrere Wochen lang merken konnten, die Nager waren auch dazu in der Lage, Töne mit sehr ähnlichen Frequenzen scheinbar mühelos zu unterscheiden – eine Fähigkeit, die Mäuse normalerweise nicht besitzen.

Gelungen ist dies den Forschern unter anderem mithilfe einer Substanz namens FR194921, die den A1-Rezeptor gezielt außer Kraft setzt. "Das lässt auf ein künftiges Medikament hoffen, mit dem wir auch beim Menschen die auditiven Lernfähigkeiten verjüngen könnten", so Zakharenko. (Thomas Bergmayr, 29.6.2017)