Tallinn – Nach Abschluss des EU-Freihandels- und Investitionsabkommens mit Kanada (Ceta) vergangenen Herbst drohen kurz vor der Sommerpause neue Aufregungen rund um einen derartigen Handelsvertrag. Anlassfall diesmal ist Japan.

Die EU-Kommission will kommenden Mittwoch den Abschluss der Verhandlungen mit dem zweitwichtigsten Handelspartner in Asien (Volumen: 100 Milliarden Euro) verkünden. Das wurde dem STANDARD am Freitag am Rande der Eröffnungsfeierlichkeiten des estnischen EU-Vorsitzes in der Hauptstadt Tallinn aus Kommissionskreisen bestätigt.

Bereits am Donnerstag könnte in Brüssel ein EU-Japan-Gipfel stattfinden. Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe reist ohnehin nach Europa, da am kommenden Wochenende in Hamburg das Treffen der 20 wichtigsten Industrienationen der Welt (G20) stattfindet. Dieser Termin, bei dem es auch zum ersten Treffen von US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Kollegen Wladimir Putin kommen wird, ist auch der eigentliche Hintergrund der Eile, die die EU-Spitze im Fall Japan an den Tag legt.

Zeichen Richtung USA

Es wäre wichtig, dass man dem US-Präsidenten nach Ceta nun in einem weiteren Fall demonstriere, dass der offene Freihandel den Europäern wichtig ist angesichts der US-Tendenzen zu Protektionismus, heißt es in EU-Kreisen. Präsident Jean-Claude Juncker hat Außenhandelskommissarin Cecilia Malmström und Agrarkommissar Phil Hogan nach Tokio geschickt. Sie wollen bis Anfang nächster Woche Fakten und einen Abschluss schaffen.

Wie bei Ceta dürfte bis zuletzt die Frage der Streitbeilegung bei Investoren (Investorenschutz) der größte Stolperstein werden. Die Regierung in Tokio sperrt sich gegen das europäische Modell eines außergerichtlichen Verfahrens, das von einer Richterjury in transparenter Weise und mit Berufungsmöglichkeit abgewickelt werden soll. Sie will vielmehr das "klassische" Modell der diskreten Schiedsgerichte von Experten.

Stolperstein Investorenschutz

In Europa gibt es von NGOs, Grundrechtlern, aber auch von den Grünen und Teilen der Sozialdemokraten hingegen Widerstand, solche Mechanismen zu akzeptieren. Es sollten ordentliche (nationale) Gerichte tätig werden, was die Japaner ablehnen.

Neben Agrarangelegenheiten spießt sich der Abschluss auch an der geplanten wechselseitigen Öffnung für Anbieter bei der Beschaffung durch die öffentliche Hand. Bei Zöllen und auch bei außertariflichen Handelshemmnissen ist man schon sehr weit.

Die EU verhandelt bereits seit 2013 über ein solches Abkommen. Die EU und Japan bestreiten gemeinsam ein Drittel des Welthandels. Von einem Abkommen wird ein Wachstumsschub von 0,7 Prozent erwartet. Der Abschluss war für Ende 2016 vorgesehen und dann auf Ende 2017 verschoben worden. Ein Ende noch vor dem Sommer wäre doch überraschend. (Thomas Mayer aus Tallinn, 1.7.2017)