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Chris Froomes Rennmaschine ist schon sehr fesch.

Foto: Reuters/TESSIER

Der Sieg bei der 104. Tour de France führt erneut nur über Titelverteidiger Chris Froome. Kann der Brite seinen vierten Tour-Erfolg feiern und damit ganz nahe an den Olymp der Frankreich-Rundfahrt heranrücken, den die Herren Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain mit je fünf Triumphen bevölkern? Oder finden die Jäger um Nairo Quintana endlich ein Rezept?

Die Top-Favoriten im Überblick:

Chris Froome (32/Sky): 2012 als Helfer seines Kapitäns Bradley Wiggins Zweiter, 2013, 2015, 2016 Sieger, nur 2014 durch einen Sturz um alle Chancen gebracht – die Tour-Bilanz des in Kenia geborenen Briten ist phänomenal. Gut, 2017 fuhr er bislang durchwachsen, doch das soll nicht täuschen: Seine Fähigkeit, stets zum Höhepunkt voll da zu sein, sucht ihresgleichen. Froomes große Stärke ist es zudem einerseits, keine wirkliche Schwäche zu besitzen, und andererseits, stets für das Unerwartete, einen Geniestreich gut zu sein. Ob der Angriff an der Windkante, ob die Attacke mitten in der Abfahrt – Froome ist die Tücke in Person.

Nairo Qintana (27/Movistar): Der kleine Kolumbianer wollte 2017 alles – den Sieg beim Giro und den Sieg bei der Tour in einer Saison, was zuletzt Marco Pantani 1998 gelungen war. Teil eins aber ging schon mal schief, bei der Italien-Rundfahrt unterlag Quintana überraschend dem Niederländer Tom Dumoulin. Wie der Bergfloh, zweimal Zweiter und einmal Dritter der Tour, die Niederlage seit Ende Mai physisch wie psychisch weggesteckt hat, ist die eine große Frage. Die andere, ob seine Fähigkeiten am Berg ausreichen, um seine mangelnden Fähigkeiten im Zeitfahren auszugleichen. Gegen Dumoulin gelang dies nicht.

Alberto Contador (34/Trek-Segafredo): Sicher, der "Pistolero" hat nicht mehr die Form früherer Jahre. Bei seinem ersten Tour-Sieg 2007 sprang Contador im Duell mit Michael Rasmussen die Berge derart grotesk hinauf, dass viele unlauteren Wettbewerb vermuteten – zumindest der Däne wurde noch während der damaligen Rundfahrt suspendiert. Mittlerweile ist Contador eine Art graue Eminenz im Feld und will es mit neuem Team noch einmal wissen. Für eine Überraschung ist der mit sieben Siegen bei großen Rundfahrten – zwei weitere wurden ihm wegen seiner Clenbuterol-Affäre aberkannt – erfolgreichste Rennfahrer seiner Generation allemal gut.

Romain Bardet (26/Ag2R): Wer als französischer Radfan unter 30 ist, hat nie einen Tour-Sieg eines Landsmanns erlebt. 1983 und 1984 gewann der mittlerweile verstorbene Laurent Fignon, 1985 zum letzten Mal der große Bernard Hinault. Lange ist's her. Es gehört zur Tricolore-Folklore, seitdem jedes Jahr auf die Rückkehr ins gelobte Velo-Land zu hoffen und stets bitter enttäuscht zu werden. 2017 ist die Hoffnung groß wie schon lange nicht mehr: Bardet war im Vorjahr Zweiter, ist kletterstark und angriffslustig. Nur im Zeitfahren hapert es – das aber womöglich entscheidend.

Richie Porte (32/BMC Racing): Jahrelang hielt der Australier als Edelhelfer bei Sky für seine Kapitäne die Knochen hin, führte Bradley Wiggins (2012) und Chris Froome (2013, 2015) zu drei Tour-Siegen. Danach erhielt er beim BMC seine erste eigene Leader-Rolle als Nachfolger von Cadel Evans. Bei der Tour 2016 verlor Porte nach einem Defekt schon auf der zweite Etappe entscheidend Zeit, wurde dennoch Gesamt-Fünfter – nun will er mehr. Portes großer Vorteil: Unter Froomes Rivalen ist er der beste Zeitfahrer. Sein Nachteil: Froome kennt seinen einstigen Domestiken in- und auswendig.

Auftakt in Düsseldorf

Der vierfache Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin ist beim Auftakt am Samstag in Düsseldorf Favorit auf das erste Gelbe Trikot. Dem 32-jährigen deutschen Radprofi ist die flache Strecke des 14-km-Zeitfahrens quasi auf den Leib geschneidert. Martin hatte die Tour-Führung bereits 2015 inne, allerdings erst nach einer Soloflucht, nachdem er im Zeitfahren Zweiter geworden war.

Der Wahl-Schweizer Martin bezeichnete im Vorfeld den ehemaligen Skispringer Primoz Roglic (Slowenien), den Schweizer Stefan Küng und den Niederländer Jos van Emden als Hauptkonkurrenten. Zwei ehemalige Stunden-Weltrekordler fehlen. Der Australier Rohan Dennis (Auftaktsieger 2015) und der Vorarlberger Matthias Brändle wurden nicht nominiert, weil die Teamtaktik auf Unterstützung der Anwärter auf das Gesamtklassement – Richie Porte (AUS/Team BMC) bzw. Alberto Contador (ESP/Trek) – in den Bergen ausgerichtet ist. (sid, red, 30.6.2017)

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