Meryem Aldulaimi (Vierte v. li.) und Khaliqdad Hakimini (Fünfter v. li.) haben am Freitag zusammen mit anderen Geflüchteten ihr Zeugnis in der Übergangsklasse in der Hak Polgarstraße erhalten.

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Wien – Langsam trudeln die ersten Jugendlichen in die hell beleuchtete Klasse ein. Auf den Gesichtern zeigt sich strahlendes Lächeln, es wird gescherzt, und Handyfotos werden gemacht. "Es war ein anstrengendes Jahr, aber ihr habt das gut geschafft", sagt Magdalena Leikermoser. In den Händen hält sie fünfzehn Zeugnisse, 225 Noten, die vereinfacht die Bemühungen und Leistungen der vergangenen neun Monate darstellen.

Leikermoser ist Klassenvorstand und Deutschlehrerin einer sogenannten Übergangsstufe für Flüchtlinge in der Handelsakademie (Hak) in der Polgarstraße in Wien-Donaustadt. Die Übergangsstufen richten sich an jugendliche Flüchtlinge zwischen 16 und 24 Jahren, die wieder in die Schule gehen möchten. 800 Flüchtlinge werden an insgesamt fünfzig Schulen in Österreich betreut.

Klassische Fächer, aber auch Ethik

"Wir bereiten die Jugendlichen so auf einen Einstieg in höhere Schulen oder Lehren vor", sagt Christian Posad, Direktor der Hak Polgarstraße. Neben den klassischen Fächern Mathematik, Englisch, Geografie, Geschichte, Sport und Informatik wird auch Persönlichkeitsbildung und Ethik unterrichtet. Hauptaugenmerk liegt auf dem Deutschunterricht, der zehn Stunden pro Woche stattfindet. "Es geht nicht darum, ihre Kultur zu rauben, aber sie müssen hier ankommen", sagt Posad.

Wie Khaliqdad Hakimini, der vor einem Jahr alleine von Afghanistan nach Österreich kam. "Am Anfang habe ich mir schwergetan mit Deutsch, jetzt geht es schon gut", sagt er. Der 18-Jährige trägt ein weißes T-Shirt und Jean, die schwarzen Haare hat er nach oben gegelt. Khaliqdad wohnt in einer Wohngemeinschaft der Caritas im 15. Bezirk in Wien, zusammen mit neunzehn anderen Flüchtlingen aus Afghanistan und Afrika.

Keine Noten von 0 bis 100

Etwas komisch sei es gewesen, in Österreich in die Schule zu gehen, sagt er. Mit Klassen, in denen Männer und Frauen gemischt sind. Mit Noten, die nur von eins bis fünf und nicht wie in Afghanistan von null bis hundert gehen.

Mit seinen achtzehn Jahren ist Khaliqdad bereits zu alt, um in Österreich noch in die Schule gehen zu müssen. Neben dem Modell der Übergangsstufen erhalten unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie Khaliqdad im Rahmen der Grundversorgung einen Deutschkurs im Ausmaß von 200 Stunden. Zusätzlich gibt es in Wien auch ein sogenanntes Jugendcollege, in dem Alphabetisierungskurse für Flüchtlinge zwischen 15 und 21 Jahren angeboten werden.

"Das Modell der Übergangsstufen hat bisher sehr gut funktioniert, und wir planen, es auch in den kommenden Jahren fortzuführen", sagt Bildungsministerin Sonja Hammerschmid. Rund 80 Millionen Euro stehen dem Bildungsministerium für das Jahr 2017 aus dem "Integrationstopf" zur Verfügung. Der Großteil wird für Sprachkurse verwendet.

Angst, Deutsch zu sprechen, überwunden

Auch für Meryem Aldulaimi war der Anfang in Österreich schwer. "Ich habe viel geweint. Dann tut mir das Herz weh, und ich musste viel Zeit im Krankenhaus bleiben." Die 16-Jährige ist froh, trotzdem weitergemacht zu haben. Im Irak könne sie nicht lernen, sie sei dort nicht frei. Hier habe sie ihre Angst überwunden, Deutsch zu sprechen.

"Gratulation!", sagt Leikermoser und drückt Meryem und Khaliqdad mit einem Lächeln das Zeugnis in die Hand. Khaliqdad hat nur "Sehr gut", nur in Mathe einen Zweier, Meryem hat nur in Deutsch und Mathe ein "Gut". Khaliqdad wird nach dem Sommer auf eine Hak in Wien-Favoriten gehen. Später möchte er Buchhalter werden – sofern er in Österreich bleiben darf. Seit sieben Monaten wartet er auf seinen Asylbescheid. Zurück nach Afghanistan möchte er auf keinen Fall. (Jakob Pallinger, 30.6.2017)