Wien – Wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung hat sich am Montag ein 61-jähriger Pensionist vor einem Wiener Schwurgericht verantworten müssen. Der Mann hatte Polizisten mit "Griaß eich! Heil Hitler!" begrüßt und Letzteres so lange im Stiegenhaus beziehungsweise vor einer Wohnhausanlage in Wien-Floridsdorf gerufen, bis er vorübergehend festgenommen wurde.

Der Angeklagte hatte den Polizeieinsatz ausgelöst, indem er am Abend des 31. Oktober 2016 Kinder, die sich zu Halloween verkleidet hatten, und ihre erwachsenen Begleiter mit einem Holzstock bedrohte und vom siebenten Stock bis ins Erdgeschoß verfolgte. Die Kinder hatten an seiner Wohnungstür geklopft und gemäß dem Halloween-Brauch Süßigkeiten verlangt. Der Pensionist riss die Tür auf und schrie (so lautete zumindest der Vorwurf der Anklagebehörde): "I schlog eich glei den Schädl ein", wobei er den Stock gegen einen zehnjährigen Buben erhob.

Körperverletzung

Weil er einem erwachsenen Begleiter, der ihn deswegen zur Rede stellen wollte, im Zuge eines Handgemenges Verletzungen zufügte, wurde der 61-Jährige bereits in einem separaten bezirksgerichtlichen Verfahren zu sieben Monaten unbedingter Haft verurteilt. Der Pensionist weist 19 Vorstrafen auf. Vor dem Schwurgericht (Vorsitz: Christoph Bauer) ging es nun um die politische Dimension des Falls. Mit den "Heil Hitler"-Rufen hätte der Angeklagte Adolf Hitler und den Nationalsozialismus glorifiziert, betonte die Staatsanwältin.

"Bettelbande"

Der Angeklagte bestritt die inkriminierten Äußerungen. Er sei seit 30 Jahren bei der SPÖ – "als eingetragenes Parteimitglied". Er räumte ein, sich über die Kinder geärgert zu haben, die er als "Bettelbande" titulierte, welche er – wörtlich – des "widerrechtlichen Betretens einer Gemeindebauanlage" bezichtigte. Man hätte derart heftig gegen seine Tür geklopft, "dass ich Angst g'habt hab', dass die Tür aus der Angel fliegt". Durch den Türspion hätte er "eine größere Person mit einer hässlichen Maske" gesehen. Bei näherer Betrachtung hätte er einen Horror-Clown erkannt und – aufgrund mehrerer Medienberichte über Übergriffe derart verkleideter Übeltäter – "einen Anschlag befürchtet". Deshalb habe er sich "spontan" mit einem Holzstock gewappnet und eingreifen wollen: "Ich wollt' dem nachgehen. Ich wollt' nicht unnötig die Polizei beschäftigen."

Allerdings verständigten die Begleiter der verschreckten Kinder die Polizei, und zwei weibliche Beamte bestätigten nun dem Gericht als Zeuginnen unter Wahrheitspflicht die zur Anklage gebrachten Äußerungen. "Er hat auf mich den Eindruck gemacht, als wäre er überzeugt von dem, was er sagt", bekräftigte eine Polizistin. Der Pensionist hätte darüber hinaus die Kinder und deren Begleitschutz als "G'sindl" beschimpft und lautstark "Der H.-C. Strache wird's schon richten!" von sich gegeben.

"Die Zeugen sagen die Unwahrheit", reagierte der Angeklagte auf diese Aussagen. Er behauptete, er sei Opfer einer Verschwörung, die von einem Salzburger Verfassungsschützer ausgehe, der ihn seit Jahren verfolge: "Der hasst mich wie die Pest. Er mag keine Wiener. Er ist der Strippenzieher." Zur Ladung weiterer Zeugen wurde die Verhandlung schließlich auf den 14. September vertagt. (APA, 3.7.2017)