Salzburg – Das im Mai 2015 eingeführte sektorale Bettelverbot in der Salzburger Altstadt ist laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGHs) gesetzeswidrig. Wegen ihres zeitlichen und örtlichen Anwendungsbereichs habe sich die Verordnung als "verfassungsrechtlich verpöntes absolutes Bettelverbot" erwiesen, begründet der Verfassungsgerichtshof sein Erkenntnis vom 28. Juni.

Anlass für die Entscheidung war die Beschwerde einer Frau, die für stilles Betteln in der Getreidegasse 100 Euro Strafe bezahlen musste. Die Plattform für Menschenrechte hatte schon im Mai 2015 angekündigt, jede Strafverfügung gegen Bettler anzufechten.

Ein Dorn im Auge ist dem Höchstgericht vor allem die Verbotszone in der Salzburger Altstadt. Das Bettelverbot betreffe "öffentliche Orte, die zu den bedeutendsten und frequentiertesten Teilen" der Salzburger Innenstadt zählen. Dort sei "durch die hohe Passantenzahl die Aussicht auf finanzielle Hilfe zur Linderung der persönlichen Not auch der 'stillen' Bettler besonders hoch", heißt es im Prüfbeschluss.

Die Argumentation der Stadt, dass es zu beengten Platzverhältnissen komme, biete "noch keine sachliche Rechtfertigung dafür, 'still' bettelnde Personen schlechthin davon auszugrenzen". Keine Probleme sieht der Verfassungsgerichtshof bei den Märkten, Friedhöfen, beim Rupertikirtag und dem Christkindlmarkt. Diesbezüglich sei das Bettelverbot rechtskonform, eine Beschwerde dahingehend wurde abgewiesen.

Stadt will Verordnung sanieren

"Wir werden sehr schnell prüfen, wie wir das rechtlich sanieren können. Die Missstände, die wir hatten, dürfen nicht erneut aufleben", kündigten Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) und Vizebürgermeister Harald Preuner (ÖVP) an. Auch die FPÖ will das Verbot rasch neu formulieren. Bis zur Sitzung des Gemeinderats im September müsse ein überarbeiteter Amtsbericht zum Beschluss vorliegen, forderte Klubobmann Andreas Reindl.

"Es ist eine Ohrfeige für Preuner", sagte Bürgerlisten-Gemeinderätin Inge Haller zur Entscheidung. "Preuner hat mit der Verordnung deutlich übers Ziel hinausgeschossen und ein Bettelverbot eingeführt." Haller fordert, die Bettelverordnung von 2016, mit der die Zonen deutlich ausgeweitet wurden, sofort aufzuheben. Im Gemeinderat am Mittwoch werden die Stadt-Grünen dazu einen dringlichen Antrag einbringen.

Das Verbot habe in Wahrheit nichts gebracht, sind sich Bürgerliste und Neos einig. Die bettelnden Menschen seien nicht weniger geworden, und auch das Problem, dass die Menschen unter Brücken schlafen müssen, sei nicht bereinigt worden. "Die Bettelverbotskoalition aus SPÖ, ÖVP und FPÖ steht nun vor den Scherben ihrer gescheiterten Law-and-Order-Politik", kommentierte Neos-Klubobmann Sebastian Huber die Entscheidung. Bürgerliste und Neos sprachen sich erneut für mehr Sozialarbeit nach Grazer Vorbild aus.

Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz

Bereits 2012 hatte der VfGH das absolute Bettelverbot aufgehoben. Das Höchstgericht hatte festgestellt, dass ein ausnahmsloses Verbot des "stillen" Bettelns gegen den Gleichheitsansatz verstoße, weil es Menschen von der Nutzung des öffentlichen Raums ausschließe. Außerdem verstoße ein derartiges Verbot gegen die Freiheit der Meinungsäußerung, die von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert wird.

Mitte 2016 hat die Stadt Salzburg die Verordnung des sektoralen Bettelverbots durch eine neue Regelung abgelöst. Das Verbot galt 2015 zunächst in der Getreidegasse sowie den angrenzenden Gassen und auf den Brücken über die Salzach. 2016 wurde die Verbotszone deutlich ausgeweitet.

Bettelverbot in Bregenz teilweise aufgehoben

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits Mitte März das Bettelverbot in Bregenz teilweise aufgehoben. In Vorarlberg ist aggressives und aufdringliches Betteln verboten, die Stadt Bregenz weitete das Verbot auch auf "stilles" Betteln in der Innenstadt aus. Doch das Höchstgericht erkannte, dass das Verbot nur während der Märkte und am Ort der Märkte zulässig sei. Begründet wurde das mit der erschwerten Benützung der Märkte durch Marktbesucher durch die Anwesenheit Bettelnder.

Aufgehoben werden müsse das Verbot jedoch für alle anderen Veranstaltungen wie die Bregenzer Festspiele, Sportevents und Ähnliches. Dafür fehle von der Stadt eine entsprechende Begründung. (Stefanie Ruep, 4.7.2017)