Die Yacht Spirit of Bermuda kurz vor dem Auslaufen in Hamilton. Sie diente während des 35. America's Cup als maritime Aussichtsterrasse auf die Wettfahrten des wichtigsten Segelspektakels der Welt.

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Michael Burke, CEO von Louis Vuitton: "Mehr Sponsoren erhöhen auch unsere Reichweite beim Event."

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Russell Coutts, CEO des 35. America's Cup: "Es ist in diesen Tagen nicht leicht, Sponsoren an Bord zu halten."

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Der alte Schiffsdiesel des Dreimasters Spirit of Bermuda nagelt ohrenbetäubend, als Michael Burke, CEO von Louis Vuitton, am kleinen, engen Kartentisch im Bauch der Holzyacht Platz nimmt. Rund um das ehrwürdige Schiff steht an diesem Tag alles im Zeichen des 35. America's Cup, der vergangene Woche zu Ende ging. Auf Bermuda tummeln sich zu dieser Zeit noch mehr Schöne und Reiche also sonst, hier sind die eleganten J-Class-Yachten der 1930er-Jahre zu finden, wohnblockhohe Motoryachten und eine ganze Menge Logos, allen voran jenes von Louis Vuitton.

Bei Events allerorten auf der Insel taucht auch die altehrwürdige Trophäe, der Pokal des "America's Cup presented by Louis Vuitton" auf. Wie ein heiliger Schrein wird er präsentiert und von zwei grimmig dreinschauenden Hünen in schwarzen Anzügen bewacht. Daneben ein Schrank, der eigens von Louis Vuitton für die große Kanne angefertigt wurde, ähnliche jenem Behältnis, welches das Haus für die Trophäe des Tennisturniers von Roland Garros produzierte.

Das Luxushaus Louis Vuitton nimmt einen ganz besonderen Platz in der Welt des Segelsports ein. Das Unternehmen tritt bei weitem nicht nur als Hauptsponsor der berühmtesten Regatta der Welt, dem America's Cup auf. In gewisser Weise begann die Kooperation nicht mit der Überweisung eines Haufen Geldes, sondern mit der Erfindung des sogenannten Louis Vuitton Cup, mit dem das Haus aktiv in die Gestaltung des Mega-Events eingriff. Seit 1983 gibt es diese Vorrunde, die viel zur Publicity, aber auch zum Wettbewerb selbst beitrug und zu einer eigenen Trophäe wurde, die den Herausforderer des letzten Cupgewinners ermittelt.

Verlangen nach Perfektion

"Eine America's-Cup-Kampagne ist eine sehr langfristige Angelegenheit. Viele haben versucht, den America's Cup zu gewinnen, manche haben es ein Leben lang versucht. Darin liegt der Hauptaspekt der Regatta. Es geht um etwas, das nicht aufhört", so Burke, der übrigens auch Deutsch spricht, "aber eigentlich fast nur mit Karl" (Anm. Lagerfeld). "Zum ersten Mal wurde er 1851 gesegelt, unser Haus wurde drei Jahre später gegründet. Wir sind also ein ähnlicher Jahrgang, das ist schon mal ein Vorteil. Außerdem teilt das Segeln mit der Luxusindustrie das Verlangen nach Perfektion", schreit Michael Burke, der leidenschaftlich windsurft, gegen den Schiffsdiesel an.

Klar wäre es am schönsten, die Segel wären wie seinerzeit blütenweiß. Doch die Zeiten, in denen die Schiffe der großen Segelregatten ohne Sponsorenaufdrucke daherkommen, sind passé. Das hat mehrere Gründe, die den Sport zwar nicht hübscher, dafür realisierbar machen. A: Solche Regatten kosten Unsummen, allein das britische Team verschlingt für seine Kampagne beim America's Cup kolportierte 120 Millionen Euro. Nicht umsonst heißt es, segeln sei, wie unter der Dusche zu stehen und 500-Euro-Scheine zu zerreißen.

B: Die großen Regatten sind heute omnipräsent, vom TV über Youtube oder das Internet. Diese relativ neue Präsenz lockt Geldgeber. Warum die gerade im Segelsport besonders gerne aus dem Luxusbereich stammen, liegt auf der Hand. Die Bilder sind atemberaubend, der Sport ist ökologisch sauber, Unfälle und Doping so gut wie kein Thema.

Rolex & Panerai

Also Punkt C: Segeln ist um ein Vielfaches mondäner, schöner, eleganter, mittlerweile auch spektakulärer als, sagen wir, Tischtennis. Schließlich hieß es lange Zeit, Segeln sei der Sport der Könige. Die Könige heißen heute Prada, Louis Vuitton oder Panerai. Panerai hält sich eine eigene Regattaserie namens "Panerai Classic Challenge", die an so sehnsuchtsvollen Orten wie Antigua, Porto Rotondo oder Antibes mit wunderbaren Yachten Station macht. Rolex unterzeichnete bereits in den 1950er-Jahren den ersten Vertrag mit dem New York Yachtclub und ist heute auf einer Vielzahl von Regatten vertreten, unter anderem beim weltberühmten Fastnet Race.

Aber auch andere Firmen wollen am großen Segelkuchen mitnaschen. Boss startete vergangenen Winter mit seiner eigenen Rennyacht Hugo Boss zur legendären "Vendée Globe", einer Regatta, die Einhand um die Welt führt und gern als "Mount Everest des Segelns" bezeichnet wird. Land Rover schickte gar ein eigenes Team in den America's Cup. Angeblich zahlte sogar die Queen etwas in den Topf. Von Mark Cameron, Markenentwickler bei Landrover, war zu lesen: "Fußball, das ist Masse, nicht zielgerichtet genug." Segeln bietet offensichtlich die interessantere, weil betuchtere Klientel.

Was sich Louis-Vuitton-Chef Michael Burke in der Zukunft vom America's Cup wünscht? "Wir wollen mehr Drama, mehr Pathos, Aufregung, Unterhaltung, einen Kampf da draußen." Nun, das Publikum wird es ihm danken – und somit auch seine Mitsponsoren.

Die Quintessenz des America's Cup sieht der Manager in der Innovation, in den neuen Technologien. "Darum ging es schon 1851, als die Yacht America zum ersten Mal gewann. Auch sie war ein Prachtstück in Sachen Innovation", sagt Burke, während die Ankerkette zügig in Richtung Meeresgrund rasselt und man vor lauter Lärm schon fast seine Lippen lesen muss.

Über die größten Gemeinsamkeiten zwischen dem Cup und Louis Vuitton spricht Burke, nachdem der Anker endlich auf dem Meeresgrund angekommen ist. Es gehe wie bei dieser Art des Segelsports um eine Suche, um Innovation und natürlich um Teamwork und Mut. "Darum geht es bei Louis Vuitton, seit wir 1851 einen neuen Koffer erfunden haben." Auch wenn es nach klassischem Marketingsprech klingt, man merkt schnell, worauf Burke hinauswill. Wie der America's Cup hat Louis Vuitton das Problem, oder eleganter gesagt, steht vor derselben Herausforderung, nicht zu verstauben und am Publikum sowie an der Kundschaft dranzubleiben. Dabei helfen moderne, schnelle Hightech-Biester, ein junges Publikum und der Blick nach vorn mehr, als sich an eine der vielen, großartigen Oldtimer-Regatten auf allen sieben Weltmeeren zu hängen.

Dass die wachsende Zahl von Sponsoren im America's Cup die Bedeutung von Louis Vuitton als Hauptsponsor in Sachen Exklusivität schmälern könnte, sieht Burke anders. Ganz im Gegenteil geht er davon aus, dass dadurch auch die Reichweite seiner Marke erhöht würde. Weiters spricht der Manager davon, den America's Cup nicht nur für Segler zu reservieren, sondern auch Leuten zugänglich zu machen, die sich für diese Art von Spektakel begeistern können.

Koons & Niemeyer

In dieser Hinsicht sieht Burke auch Parallelen zum Engagement in Sachen Kunst, etwa die vor kurzem präsentierte Kooperation mit Jeff Koons, der Taschen mit den Bildern Alter Meister für Louis Vuitton entwarf, oder auch die Präsentation der Cruise-Kollektion im vergangenen Jahr in Oscar Niemeyers MAC-Museum in Brazil. "All diese Dinge, Architektur, Design, Kunst und eben auch Sport sind gleichwertig und beeinflussen uns und umgekehrt. Ich spreche von einem relevanten, kulturellen Austausch, vor dem man sich nicht verschließen kann." Der Austausch kann offensichtlich nicht breit genug sein, denn auch die Zusammenarbeit von Louis Vuitton mit dem New Yorker Street-Style-Label Supreme schlagt in die Kerbe, nicht den Anschluss zu verlieren. Dabei geht es vor allem darum, an der Jugend anzudocken und am Kuchen der Street-Style-Mania mitzunaschen, einer Kultur, an der viele große Häuser zurzeit nicht vorbeigekommen.

Russel Coutts, der CEO der "America's Cup Event Authority", dreifacher Sieger des Cups und Segelsuperstar ist, unter anderem für Finanzen, Sponsoren und Fernsehrechte zuständig. Seine Erklärung für das verstärkte Aufkommen von Luxusmarken im Segelzirkus deutet auch auf sein Talent als Geschäftsmann hin: "Schauen Sie doch einmal zum Fenster raus, sehen Sie die Farbe des Meeres, die Inseln, die Yachten und Häuser? Wir sprechen hier von einem Premium-Markt. Hier zu investieren lockt Kunden. Und es ist interessant: Alle Sponsoren des America's Cup wollen wiederkommen, und ich sage es Ihnen: Es ist in diesen Tagen nicht leicht, Geldgeber an Bord zu halten – im wahrsten Sinne des Wortes", sagt der Segler in seinem Büro im sogenannten Cup-Village auf Bermuda. Der Segelchampion steht in den Diensten des Teams Oracle USA, das dem als Grantscherben geltenden Software-Milliardär (der siebentreichste Mensch überhaupt) gehört.

Apropos reich: Der Brite Sir Thomas Lipton versuchte von 1899 bis 1930 fünfmal, den Cup nach England zu holen, und verdiente sich bei diesem Unterfangen den Titel des "besten Verlierers aller Zeiten". Angeblich war Lipton ein derartiger Gentleman beim Verlieren, dass ihn die Amerikaner dafür liebten und fortan auf den Tee von Sir Lipton abfuhren, was ihm den amerikanischen Markt einbrachte. Man sieht, Sport und Business hatten schon immer mehr miteinander zu tun, als man auf den ersten Blick annehmen möchte. (Michael Hausenblas, RONDO, 11.7.2017)