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Ryke Geerd Hamer bei einer Gerichtsverhandlung in Köln im Jahr 1997.

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Olivia Pilhar im Juli 1995 in Malaga. Unter dem T-Shirt zeichnet sich deutlich der gewaltige Tumor ab.

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Wien – Der ehemalige deutsche Arzt und selbsternannte Wunderheiler Ryke Geerd Hamer ist tot. Das bestätigte die Familie Pilhar, die Hamers Methode der "Germanischen Neuen Medizin" in Österreich vermarktet. "Hamer ist verstorben", erklärte Erika Pilhar gegenüber dem STANDARD, "man kann davon ausgehen, dass es ein Schlaganfall war". Der 1935 geborene Hamer verstarb am 2. Juli im Alter von 82 Jahren.

Im Jahr 1986 wurde Hamer die Approbation entzogen. Obwohl das Verwaltungsgericht Koblenz ihm in seinem Urteilsspruch eine Schwäche der geistigen Kräfte, eine ungeeignete psychopathologische Persönlichkeitsstruktur und mangelnde Einsichtsfähigkeit attestierte, praktizierte Hamer in mehreren europäischen Ländern weiter, was ihm mehrere Verurteilungen und Haftstrafen einbrachte. Dutzende Todesfälle im Zusammenhang mit der "Germanischen Medizin" wurden untersucht. Seit 1990 hatte Hamer in der steirischen Gemeinde Burgau ein "Zentrum für neue Medizin" eingerichtet, das erst fünf Jahre später behördlich geschlossen wurde.

"Fall Olivia"

Im Jahr 1995 erlangte der "Fall Olivia" traurige Berühmtheit. Die damals sechsjährige Olivia Pilhar war an einem Wilms-Tumor, einem bösartigen Nierentumor, erkrankt. Dieser Tumor hat bei zeitgerechter Behandlung eine neunzigprozentige Prognose für eine langfristige Heilung. Die Eltern Olivias verweigerten jedoch Chemotherapie und Operation, die Behandlung auf Basis der wissenschaftlichen Medizin, worauf ihnen das Sorgerecht für ihre Tochter entzogen wurde. Die Familie setzte sich nach Spanien ab und kehrte erst nach Verhandlungen nach Österreich zurück. Olivia wurde der mittlerweile mehrere Kilogramm schwere Tumor entfernt und erfolgreich behandelt. Ihre Eltern wurden 1997 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Hamer selbst flüchtete nach Spanien. In Österreich und Deutschland bestanden Haftbefehle gegen den selbsternannten "Meister der Germanischen Medizin".

Flucht nach Norwegen

Seit 2007 hielt sich Hamer in Norwegen auf, wo er 2008 an seiner Wohnadresse in der Stadt Sandefjord die Titelmühle "Universität Sandefjord" gründete, die er auch als Verlag für seine Publikationen nutzte. Der Versuch, in Norwegen eine Approbation zu erhalten, wurde abgelehnt. Und erst im Februar 2017 versuchte er erneut, seine Approbation in Deutschland zurückzuerhalten, was vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main abgelehnt wurde.

Die "Germanische Neue Medizin" basiert auf Hamers Annahme, dass Auslöser einer "sogenannten Krankheit" immer ein "biologischer Konflikt" sei. Er nannte dies "Dirk-Hamer-Syndrom" nach seinem Sohn, der im Jahr 1978 auf Korsika vermutlich von Viktor Emanuel von Savoyen angeschossen wurde und vier Monate später starb, nachdem sein Vater ihn eigenmächtig nach Deutschland transferieren hatte lassen. Wenige Monate nach dem Tod seines Sohnes erkrankte Hamer an Hodenkrebs, den er sich erfolgreich operativ behandeln ließ. Aufgrund dieser Begebenheit entwickelte er seine Idee des Schockerlebnisses als Krankheitsauslöser.

Antisemitische Verschwörungstheorien

Hamer war auch im Umfeld der Reichsbürgerbewegung aktiv und verbreitete antisemitische Verschwörungstheorien. Er behauptete, dass die Krebsärzte in Deutschland meist Juden seien, die bei der Chemotherapie Chips mit "Giftkammern" implantierten würden, um die Patienten per Satellit gezielt zu töten. "In Deutschland kriegt kein Jude Chemo", erklärte er. "Wir Nichtjuden werden gezwungen, weiterhin die jüdische Schulmedizin zu praktizieren." Auch mittels Impfungen würden Menschen mit Chips markiert.

"Goldenes Brett"

Im Herbst 2016 erhielt Hamer das "Goldene Brett vorm Kopf", den Schmähpreis für unwissenschaftlichen Humbug, verliehen. Die Jury begründete die Entscheidung damals damit, dass Hamer "gefährliche medizinische Ansichten mit wirren antisemitischen Verschwörungstheorien" verknüpfe.

Die Familie Pilhar will jedenfalls weiterhin an den Lehren ihres Meisters festhalten: "Wir tragen das weiter unters Volk", kündigte Erika Pilhar im Gespräch mit dem STANDARD an. (Michael Vosatka, 4.7.2017)