Göttingen – Kurdische Politiker aus dem Kanton Afrin im Nordwesten Syriens haben sich am Montag hilfesuchend an die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen gewandt. Das teilte die Gesellschaft am Montag in einer Aussendung mit. Sie fürchteten eine breit angelegte Offensive der türkischen Armee und syrischer Radikalislamisten auf die seit Jahren isolierte Region.

Die Türkei ziehe seit einigen Tagen schweres Kriegsgerät an der Grenze zu Afrin zusammen. Seit Jahren werde das mehrheitlich von Kurden bewohnte Gebiet immer wieder von der türkischen Armee beschossen oder von syrischen, von der Türkei unterstützten Radikalislamisten angegriffen. Von 2011 bis 2017 seien 30 Zivilisten aus Afrin vom türkischen Militär getötet, mindestens 35 verletzt worden.

"Barbarischer Krieg"

Die Präsidentin des Kantons, die alawitische Kurdin Hevi Mustafa, bat die GfbV, die europäische Öffentlichkeit über den "ungerechtfertigten barbarischen Krieg" des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen die Zivilbevölkerung in Nordsyrien zu informieren. Der Chef der liberalen oppositionellen "Kurdischen Demokratischen Einheitspartei in Syrien" (Al-Wahda), Muhiddin Sheikhali, appellierte, gegen die "menschenverachtende Politik des türkischen Präsidenten" zu protestieren und einen drohenden Krieg gegen das friedliche Afrin zu verhindern: "Bitte lasst die Menschen in Afrin nicht allein!"

"Ein Angriff auf Afrin wird zur Vertreibung von Hunderttausenden Kurden und Zehntausenden arabischen Flüchtlingen führen, die dort seit Jahren Aufnahme gefunden haben", warnte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido. In der Region leben nahezu eine Million Menschen, die Hälfte von ihnen seien Flüchtlinge, vor allem aus dem nur 55 Kilometer entfernten Aleppo. Afrin hatte vor dem Bürgerkrieg bis zu 80.000 Einwohner und liegt am gleichnamigen Fluss 25 Kilometer südlich bzw. östlich der syrisch-türkischen Grenze. Seit Jahren blockiere die Türkei den Zugang zum Kurdengebiet und lasse keine humanitäre Hilfe passieren. (APA, 4.7.2017)