Der Chemiker Gert-Jan Gruter hat einen Weg gefunden, wirtschaftlich konkurrenzfähige Kunststoffflaschen aus Pflanzen herzustellen.

Foto: Heinz Troll

Wien – Man kann bei der Herstellung von Kunststoffen in vielen Fällen auf Erdöl verzichten. Seit Jahrzehnten arbeiten Forscher auf der ganzen Welt daran, fossile Grundstoffe mit pflanzlichen zu ersetzen. Besonders im Verpackungsbereich gibt es eine Reihe von Lösungen. Ihr Marktanteil ist aber gering. Der Hauptgrund: Bei den Kosten können die Bioprodukte mit den über Jahrzehnte optimierten und im großen Maßstab umgesetzten petrochemischen Verfahren nicht mithalten.

Ein neuer, vielversprechender Ansatz eines niederländischen Chemikers könnte das ändern: Der Wissenschaftler Gert-Jan Gruter, der für das Amsterdamer Entwicklungsunternehmen Avantium tätig ist, hat ein Verfahren entwickelt, das das Zeug hat, den Anteil von aus Biomasse hergestellten Kunststoffen in die Höhe schnellen zu lassen. Ein Grund: Die Eigenschaften der pflanzlichen Kunststoffe sind zum Teil besser als jene der petrochemischen Industrie. Zu Gruters Kooperationspartnern zählen mittlerweile Konzerne wie Coca-Cola und Danone, aber auch der weltweit tätige österreichische Verpackungsspezialist Alpla.

Molekül als schlafender Riese

Kernelement der Erfindung ist ein Molekül namens FDCA (Furandicarbonsäure). "Das Molekül ist ein schlafender Riese. Es ist seit fast 150 Jahren bekannt, es war aber bisher schwierig in großen Mengen herzustellen", erklärte der für den diesjährigen Erfinderpreis des Europäischen Patentamts nominierte Chemiker am Rande der Preisverleihung in Venedig im Gespräch mit dem Standard.

Dank ein paar "Tricks" Gruters ist das nun anders. Die Weiterverarbeitung von Zucker oder pflanzlicher Stärke war bisher auf Wasser als Lösungsmittel angewiesen, in dem aber die ersten Bausteine auf dem Weg zu FDCA nicht stabil waren. Der Chemiker hat es geschafft, das Wasser mit einer Methanollösung zu ersetzen, aus der sich das entstandene Molekül viel leichter isolieren lässt. Auch das Problem, dass Methanol nur wenig Zucker löst, konnte umgangen werden: Die Forscher schafften 300 statt zehn Gramm pro Liter – was den Weg zu einer Produktion im großen Stil freimacht.

Anwendungen in der Verpackungsindustrie, in der Fasertechnik – etwa in Autoreifen – oder im Sporttextilienbereich sind damit möglich. FDCA kann zu einem hochwertigen Polyester namens PEF weiterverarbeitet werden, das ähnliche Eigenschaften wie PET aufweist. In einem ersten Schritt konzentrieren sich die Entwickler auf Getränkeflaschen. "Ein wichtiges Kriterium ist hier, wie gut eine Flasche Sauerstoff draußen und Kohlensäure drinnen halten kann", sagt Gruter. "Bei kleinen Flaschen müssen Hersteller oft auf teure Beschichtungen zurückgreifen.

Länger haltbare Getränke

"Länger haltbare Getränke In diesem Bereich – aber auch bei teuren Aludosen – könnte PEF durch die bessere Stabilität und thermische Eigenschaften schnell konkurrenzfähig sein. Es könnte dazu beitragen, dass Bier länger haltbar ist und Flaschen durch ein Pfandsystem öfter wiederverwendbar sind, bevor sie recycelt werden. Avantium gründete gemeinsam mit dem deutschen Chemieriesen BASF ein Joint Venture, eine Pilotfabrik in Antwerpen ist in Planung. Gruter: "2020 oder 2021 könnten die ersten PEF-Flaschen auf den Markt kommen."

Die Herstellung dieser nicht-fossilen Kunststoffe soll laut Gruter um 70 Prozent weniger Energie benötigen als ihre konventionellen Pendants und einen entsprechend kleinen CO2-Abdruck aufweisen. Auch die Zerfallszeit von PEF sei kürzer als jene von PET mit 500 Jahren. Dennoch: Kompostierbares Plastik, das sich in wenigen Monaten auflöst, ist nicht machbar, sagt Gruter, der seit kurzem auch eine Professur für nachhaltige industrielle Chemie an der Uni Amsterdam innehat. "Im Moment werden weltweit nur neun Prozent der Kunststoffe recycelt. Dieser Wert muss in Zukunft stark erhöht werden." (Alois Pumhösel, 6.7.2017)