Ein Lehrstück in der Disziplin Politshow: Der Verteidigungsminister insinuiert, dass ein Ansturm von über das Mittelmeer geflüchteten Migranten bevorstehe, und kündigt den Aufmarsch von Soldaten und Panzern an der Grenze zu Italien an. Der Außenminister salutiert, doch das eigentlich für Grenzkontrollen zuständige Innenministerium dementiert und der Bundeskanzler interveniert: Derzeit gebe es keinen Grund, schwere Geschütze auf dem Brenner aufzufahren, die Zahl von illegalen Grenzübertritten sei stabil auf niedrigem Niveau.

Die Empörung in Italien und in Brüssel wird sich nicht so schnell legen, denn Österreich hat gezeigt, dass es auf die vielbeschworene Solidarität innerhalb der EU bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise pfeift. Oder wie es der Tiroler Landeshauptmann ausdrückte: "Wenn es die Lage erfordert, lege ich Wert darauf, dass nicht Rücksicht auf die Bestimmungen der Europäischen Union genommen wird." Na bumm!

Vermutlich war der Schuss vor den Bug der Brennergrenze aber wohlkalkuliert. Denn mit der diplomatischen Protestnote Italiens ist maximale Aufmerksamkeit garantiert – auch bei Migranten, die sich vor allem über soziale Netzwerke im Internet auf dem Laufenden halten. Dass der österreichische Botschafter in Rom ins Außenamt zitiert wurde, war billiger, als in italienischen Medien Inserate zu schalten, die Migranten abschrecken sollen. (Michael Simoner, 5.7.2017)