Delegierte der LGBTI-Gruppen verfolgten die Landtagsdebatte in Bregenz auf der Pressetribüne.

Foto: Jutta Berger

Bregenz – Auslöser für die Debatte im Vorarlberger Landtag war Landeshauptmann Wallners Ablehnung der Ehe für alle in der sonntäglichen "Pressestunde". Der VP-Politiker fürchtet um den Kindersegen.

Weltfremd und rückwärtsgewandt habe Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) in der "Pressestunde" gegen die Ehe für alle argumentiert, warf ihm Reinhold Einwallner von der SPÖ vor. Wallner hatte seine Ablehnung mit "der Staat muss ein ureigenes Interesse daran haben, dass auch Kinder gezeugt werden können" begründet. Denn dies sei "das ureigenste Interesse eines Staates und einer Gesellschaft, die überleben will". Einwallner, Spitzenkandidat zur Nationalratswahl, fühlte sich an Weihbischof Krenn erinnert, "auch in einem Tweet von Donald Trump könnte so was stehen".

Genüsslich zitierte Einwallner Grünen-Landesrat Johannes Rauch, der via Facebook Wallners Äußerung als "größten Unfug dieses Wochenendes" bezeichnet hatte. Martina Pointner von den Neos sah in Wallners "vollkommen abstruser" Argumentation einen Schaden für das ganze Land, das sich so gerne weltoffen darstelle. Sie riet der "neuen" Volkspartei, sich an Angela Merkels Konservativen zu orientieren und an den Menschenrechten. "Alle Menschen sind gleich, nicht ähnlich", erklärte ihre Fraktionskollegin Sabine Scheffknecht der Volkspartei, was mit dem Gleichheitsgrundsatz gemeint ist.

Von Natur aus und gottgewollt

Zur Verteidigung seines Chefs trat der katholischen Bergbauer Josef Türtscher ans Rednerpult, der "Menschen mit anderer sexueller Ausrichtung nicht zu nahe treten will", aber es störe ihn schon sehr, "wenn sie in aller Öffentlichkeit demonstrativ Zärtlichkeiten austauschen". Diskriminierung sei die Ablehnung der Ehe für alle nicht. Denn es sei von Natur aus so und gottgewollt, dass nur ein Paar verschiedenen Geschlechts neues Leben zeugen könne. Den Begriff Ehe solle man weiter nur für diese Gemeinschaft reservieren.

Die FPÖ sekundierte und sah in der Themenwahl der SPÖ für die aktuelle Stunde und einem dringlichen Antrag "reine Wahltaktik". Die Familie bleibe für die Freiheitlichen Kern gesellschaftlicher Stabilität, wie die Volkspartei sieht auch die FPÖ-Familiensprecherin Nicole Hosp "die Ehe Mann und Frau vorbehalten".

Grünen-Gleichbehandlungssprecher Daniel Zadra versuchte zur Empörung der VP-Abgeordneten, Wallner mit Zahlen aus anderen EU-Staaten zu überzeugen. Wo Ehe für alle möglich sei, gebe es auch hohe Geburtenraten. "Was soll falsch sein am Grundinteresse eines Staates an Kindern?", fragte hingegen der VP-Abgeordnete Thomas Winsauer. Und auch Landeshauptmann Wallner wunderte sich in seiner Replik über die Aufregung.

Keine Diskriminierung, nur Unterscheidung

Niemand wolle diskriminieren, er schon gar nicht, sagte Wallner und verwies auf den österreichischen Gesetzgeber, der wesentliche Diskriminierungen, etwa im Erb- und Adoptionsrecht, abgebaut habe. Wenn noch "Diskriminierungstatbestände" übriggeblieben seien, dann im Detail. Wer solche im Landesrecht finde, solle es ihm mitteilen: "Ich schaffe sie sofort ab."

Er wolle niemanden persönlich verletzen, sagte der Landeshauptmann in Richtung der LGBTI-Gruppe, die auf der Pressetribüne aufmerksam die Debatte verfolgte, aber es sei nun mal Tatsache, dass nur die Verbindung von Mann und Frau das Potenzial zur Lebensweitergabe habe. Ehe sei ein geschützter Begriff für Mann und Frau. Eine Unterscheidung zwischen Verpartnerung und Ehe sei keine Diskriminierung.

Wallners Regierungspartner, Grünen-Chef Johannes Rauch, kommentierte die Debatte in einer Presseaussendung. Im Regierungsprogramm sei festgeschrieben, dass moderne Familienpolitik sich dadurch auszeichne, "dass keine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften erfolgt", erinnerte er die Volkspartei an das gemeinsam erarbeitete Papier. Rauch fordert: "Heiraten sollen alle können, die wollen, Frauen und Männer, Frauen und Frauen, Männer und Männer."

Stigmatisierung beenden

Seinen Regierungspartnern empfiehlt Rauch einen Blick ins benachbarte Baden-Württemberg. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte auf die Diskussion, warum Schülerinnen und Schüler im Unterricht lernen sollten, was Transgender und Intersexuelle sind, mit klaren Worten reagiert: "Weil 'schwule Sau' auf dem Schulhof eines der beliebtesten Schimpfwörter geworden ist … Die zivilisatorischen Hemmschwellen sind da noch nicht ausgeprägt. Wir können da aber nicht zusehen, wie jemand diskriminiert wird."

Der Staat habe die Verantwortung, Ängste zu nehmen und dafür zu sorgen, die gesellschaftliche Stigmatisierung Homosexueller zu beenden, regt Rauch an, "die politische Verantwortung für Minderheiten wahrzunehmen und die rechtlich zustehende Gleichstellung umzusetzen". (Jutta Berger, 6.7.2017)