Foto: Gerhard Trumler
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Foto: Gerhard Trumler
Foto: Gerhard Trumler
Foto: Gerhard Trumler

Mehr als 200 Bücher hat der empathische Universalist Trumler bisher publiziert.

Foto: Gregor Auenhammer

Das entschieden Charakteristische dieser Welt ist ihre Vergänglichkeit", konstatierte Franz Kafka. Insofern könnte man des Fotografen Gerhard Trumler OEuvre als kafkaesk beschreiben. Denn exakt mit diesem Charakteristischen beschäftigt sich Trumler zeit seines Lebens. Mit der Vergänglichkeit des Lebens, mit der Vergänglichkeit per se, mit der Vergänglichkeit der Dinge des Alltags im Speziellen – aber nicht in Form larmoyanten Verklärens, sondern in kunstvoller Art sanften Bewahrens. Nicht im Sinne der Erinnerung melancholisch-nostalgischen Charakters, sondern im Sinne des kollektiven GedächtnisVerwahrens, des Erhaltens für die, die nach uns sind.

Als sensibler Seismograf bewahrt der in Wien Geborene, abwechselnd im Waldviertel und in der Bundeshauptstadt Lebende Dinge und Stimmungen vor dem Übersehen und Vergehen. Als unermüdlicher Chronist des "Verloren-Gehenden", Bewahrer des "In-Vergessenheit-Geratenden", als Anwalt des zu Unrecht Missachteten, Unscheinbaren hat Trumler es sich zur Aufgabe gemacht, Erinnerungsarbeit zu leisten.

Bekannt geworden war Trumler einst als Chronist des politischen Österreich. Als Begleiter von Bundeskanzler Bruno Kreisky und Bundespräsident Rudolf Kirchschläger prägte er deren Bild in der Öffentlichkeit, zeigte sie in deren Licht und Schatten, nachdenklich, kämpferisch, direkt, hinter den Kulissen: vor allem aber immer ehrlich – und authentisch.

Visualisierte Zeitgeschichte

Das Verstellen, das Imaginieren, das Tarnen und Täuschen ist sein Handwerk nicht – auch nicht das Interpretieren und Provozieren. Überdimensionale Gurken, die man als großartiges Kunstwerk verkauft, sind ihm ebenso verhasst wie Retuschen an Originalszenen, an Menschen, Gesichtern oder Körpern. Auch Collagen sind das seine nicht. Serien hingegen willkommen. Serien, Sequenzen, die Geschichten erzählen – und Geschichte. Ein Chronist ist er, der Wahrheit verpflichtet. Ein Meister klassischer Fotografie, wider den Zeitgeist. Ein Großer seiner Zunft. Zweifelsfrei kein Einfacher, keiner, der sich anpasst, der geschmeidig ist und sich geschmeidig anbiedert.

Ein begnadeter Erzähler ist er auch, der im Unruhestand Befindliche. Während der von immenser Leidenschaft und Empathie Beseelte von seinen Expeditionen, Erkundungen und Erfahrungen erzählt, dreht sich ein Karussell aus Erinnerungen. Ein distinguierter Herr ist er, immer in englischem Tweed, oft mit Stecktuch, passendem Halstuch. Ein bisschen bourgeois, stets gepflegt, mit akkurat gepflegtem Bart. Ein feiner Herr. Belesen, universell interessiert, weltoffen. Unnachgiebig, auch polternd, unprätentiös.

Es gilt aber festzuhalten, dass Trumler die Kunst nicht in die Wiege gelegt war. Erst seit 1969 ist der 1937 Geborene freischaffender Fotograf. Davor rangierte und dirigierte er Eisenbahnen – die Liebe zu Herzmanovsky-Orlando -, studierte Jus, arbeitete als Fluglotse, Banker, Werber und Autor. Das Studium als Fotograf absolvierte der Familienmensch nebenbei.

Internationale Publikationen und Staatspreise

Es folgten internationale Publikationen in "Die Zeit", "FAZ", "NZZ", "Ovation Magazine NY", "Life Tokyo", "GEO Paris" et alii. Das Mitglied des Wiener Künstlerhauses erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, fünf Staatspreise für die schönsten Bücher Österreichs, die Albert-Schweitzer-Medaille etc. Ausstellungen in internationalen Galerien wie der Leica Gallery NY begründeten seinen Ruf als einer der herausragendsten Fotografen Österreichs – Helmut Gansterer prägte den Terminus der sechs "Klassischen Grauen Panther" Rübelt, Morath, Hubmann, Weber, Lessing, Trumler.

Kristian Sotriffer meinte, bei Trumlers Beobachtungsgabe handle es sich weniger "um die eines Spezialisten als um die eines Liebenden", schärfend den Blick für das Wesentliche. Eine kritische Werkausgabe, bestehend aus zehn Kassetten zu je 100 Silbergelatine-Abzügen, ist in Arbeit. Interessant, wer sich das Vermächtnis sichert.

Wortwörtlich bedeutet fotografieren "Zeichnen mit Licht". Im Sinne seines humanistischen Ansatzes umschrieb Cartier-Bresson sein Tun als Jagd nach dem "entscheidenden Augenblick", Doyen Erich Lessing spricht vom "Vermessen der Zeit". Laut Franz Xaver Setzer, Zeitgenosse der legendären Madame d'Ora, besteht das Credo eines Fotografen darin, die Seele der Porträtierten einzufangen, gemäß dem Sprichwort "Das Auge ist des Herzen Zeuge". Nicht ohne Grund wird Trumler immer wieder als Lichtzauberer tituliert.

Als melancholischer Bilderpoet öffnet er Türen, von deren Existenz man nicht einmal wusste, flanierend im seinem geliebten Fraberger Rosenhof, in Paris, Venedig, Hamburg, seiner Heimatstadt Wien, im Vatikan, am Berg Athos.

Archäologe kulturellen Erbes

"Die Darstellung der Dinge, wie sie sind, ohne Irrtum oder Verwechslungen, ohne Falschheit und Betrug, ist in sich edler als eine ganze Ernte von Erfindungen", meinte Francis Bacon. "Die Dinge sollen durch das wirken, was sie sind." Diesem Statement Adalbert Stifters fügt Trumler selbstbewusst ein knappes "Die Menschen auch!" hinzu. Wertschätzung, die der Maître vor der Schöpfung empfindet, ist spürbar.

Mit der Energie und Neugierde eines Mittzwanzigers komponiert er Kontrast, Licht und Schatten, Spiegelung, Elemente. Trumler ist ein Besessener. Obsessiv arbeitend. Allein drei Bücher erscheinen dieser Tage. Stets auf der Suche nach der Seele des Lebens. "Wege entstehen dadurch, dass man sie geht", stellte Kafka fest. Wenn man aber des Bilderpoeten verborgenen Fährten folgt, befindet man sich auf dem richtigen Weg. (Gregor Auenhammer, 8.7.2017)