Der Schiedsspruch zu den territorialen Besitzverhältnissen in der Bucht von Piran (Bild) kann nach Sicht des slowenischen Parlamentspräsidenten Milan Bzglez erst nach dem Sommer umgesetzt werden.

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STANDARD: Wann wird Slowenien beginnen, die Entscheidung des Schiedshofs zur Grenzfrage zwischen Slowenien und Kroatien umzusetzen?

Brglez: Beide Staaten haben sechs Monate Zeit dazu. Aber bis zum Ende des Sommers wird Slowenien keine Schritte setzen, denn wir müssen zuvor noch einige rechtliche Dinge vorbereiten und das ist während der Sommerferien nicht möglich. Zudem ist wenigstens eine minimale Kooperation mit Kroatien notwendig.

STANDARD: Kroatien will die Entscheidung des Schiedshofs nicht anerkennen und nicht umsetzen. Was wird Slowenien nun tun?

Brglez: Wir hetzen sicher nicht. Zunächst geht es darum, die Gesetzeslage für jene slowenischen Bürger zu ändern, die nun nach dem Spruch des Schiedshofs in Kroatien leben. Man muss ihnen auf individueller Ebene ordentliche Vorschläge machen. Dazu müssen acht bis neun Gesetze geändert werden. Insgesamt sind wegen des Schiedsspruch etwa 50 rechtliche Schritte notwendig.

STANDARD: Die heikelste Frage ist jene der Bucht von Piran. Denn laut dem Schiedsspruch wurde diese zum Großteil Slowenien zugesprochen. Was wird Slowenien dort tun?

Brglez: Ich hoffe, dass die Anzahl der Störfälle an den Grenzen in der Bucht von Piran weniger wird. Aber das hängt nicht von uns ab. Denn diese Störfälle werden von Bürgern mit der Zustimmung der kroatischen Regierung initiiert. Deswegen sind auch die Gespräche zwischen dem slowenischen und dem kroatischen Regierungschef Miro Cerar und Andrej Plenković kommenden Mittwoch wichtig. Das Problem ist zurzeit, dass beide über verschiedene Dinge sprechen wollen: Plenković über die Grenzen und Cerar über die Umsetzung des Schiedsspruchs.

STANDARD: Hat es seit dem Schiedsspruch eine Zunahme der Störfälle in der Bucht von Piran gegeben? Und welche Vorfälle sind das?

Brglez: Nein die Vorfälle werden jetzt gerade nicht mehr, aber sie haben insgesamt heuer enorm zugenommen. Es geht darum, dass Fischerboote, aber auch Boote mit Militärs und Polizei in slowenisches Territorium eindringen. Ich sage nicht, dass das vom kroatischen Staat gesponsert wird, aber es passiert mit dem Wissen des Staates Kroatien. Jetzt nach dem Schiedsspruch gibt es überhaupt keine rechtliche Grundlage mehr, dass Kroatien sich so weit hinauswagt. Und ich hoffe, dass diese Vorfälle nach dem Treffen zwischen Plenković und Cerar abnehmen.

STANDARD: Sie wollen also vorsichtig vorgehen, aber offensichtlich bis Ende des Jahres den Schiedsspruch ganz umsetzen?

Brglez: Ja, wenn wir den Schiedsspruch nicht jetzt in Kraft zu setzen beginnen, ist das politisch schwierig für Slowenien. Wir haben aber Unterstützung vom Ausland, von Deutschland, Skandinavien, der EU-Kommission und den Benelux-Staaten. Auch Österreich hat den Schiedsspruch bereits anerkannt.

STANDARD: Kroatien braucht offenbar eine gesichtswahrende Möglichkeit, diesen Schiedsspruch umzusetzen, obwohl es aus dem Verfahren vor zwei Jahren ausgestiegen ist. Wie könnte das aussehen?

Brglez: Wir werden jetzt keine unilateralen Schritte machen. Ich verstehe gut, dass Kroatien ein gesichtswahrendes Szenario braucht, aber wenn Kroatien weiterhin so tut, als würde es den Schiedsspruch nicht geben, wird es sehr schwierig sein, so ein Szenario zu schaffen. Ich hoffe, dass beide Seiten einander gut zuhören, denn es geht um ein besseres Leben für die Bürger, die an den Grenzen leben.

STANDARD: Kroatien könnte ohne großen Lärm den Schiedsspruch einfach ebenfalls vor Ort umsetzen. Wäre das eine Möglichkeit?

Brglez: Ja, dazu gehört, dass Kroatien langsam seine Rhetorik verändert. Es gibt ja auch Möglichkeiten dazu, weil einige Teile des Schiedsspruchs zugunsten von Kroatien sind. Ich denke, dass der Schiedshof auch in dem Sinne vorausgedacht hat, wenn es um die Umsetzung geht.

STANDARD: Was passiert, wenn Kroatien aber auch nach dem halben Jahr den Schiedsspruch nicht akzeptiert?

Brglez: Wir werden sicherlich nicht versuchen, zu provozieren. Aber wenn die Dinge zu weit gehen und nichts respektiert wird, wird es einige Massnahmen zum Selbstschutz geben, ohne dabei an Gewalt zu denken.

STANDARD: An was dann?

Brglez: Etwa an Interventionen der Polizei. Am Ende des Tages muss man schließlich Patrouillen auf dem Meer durchführen. Uns geht es ja nur darum zu zeigen, dass wir diese endgültige Entscheidung des Schiedshofs respektieren und damit auch die Rechtsstaatlichkeit. Es geht darum, dass Kroatien sich so verhält, dass es die neuen Grenzen akzeptiert und zwar ohne Provokationen.

STANDARD: Aber müsste Kroatien nicht auch seine Gesetzgebung ändern?

Brglez: Das wird wohl schwieriger werden und länger dauern. Der kroatische Premier Plenković muss das ja auch vor dem kroatischen Parlament rechtfertigen.

STANDARD: Wären Sie zu neuen Verhandlungen über die Grenzen mit Kroatien bereit?

Brglez: Wenn Kroatien uns ein besseres Angebot macht als jenes, das der Schiedshof gefällt hat, ja.

STANDARD: Aber das ist nicht besonders wahrscheinlich.

Brglez: Nein, das ist nicht wahrscheinlich. Für Kroatien ist das Schwierigste, dass die Entscheidung über den Grenzverlauf nicht von Kroatien selbst kommt, sondern von einer dritten Seite.

STANDARD: Sollte eine dritte Seite, die EU-Kommission sich in der Frage wieder als Mediator engagieren?

Brglez: Die Kommission hat ihre Hilfe angeboten, aber es hängt davon ab, wie es in den direkten Gesprächen zwischen den beiden Staaten weiter geht. Die Kommission wird jedenfalls die Gesprächsprotokolle überwachen. Jetzt im Moment wird die Kommission nicht sehr aktiv sein, aber dann wenn das Jahr zu Ende geht, wird sie sich mehr engagieren.

STANDARD: In Slowenien gab es die Idee, den EU-Gerichtshof in der Sache anzurufen. Würden Sie das unterstützen?

Brglez: In Teilen des EU-Beitrittsabkommens von Kroatien wird der endgültige Schiedsspruch erwähnt, das hat also einige rechtliche Basis. Aber ich denke, das ist jetzt nicht die entscheidende Frage.

STANDARD: In Kroatien herrscht die Sorge, Slowenien könnte nun als Schengen-Land an der Außengrenze zu Kroatien so scharf kontrollieren, dass Autos von Touristen, die in den Süden wollen, an der Grenze stundenlang im Stau stehen müssen. Wird das passieren?

Brglez: Im Sommer gibt es immer Staus an den Grenzen. Die Umsetzung der Schengen-Regeln hat jedenfalls nichts mit dem Schiedsspruch zu tun, obwohl uns schon klar ist, dass Kroatien versuchen wird, das in diesem Zusammenhang zu interpretieren. Ich möchte aber auch sagen, dass wir über die Kontrollen Österreichs an der slowenischen Grenze unglücklich sind. Das geht noch bis Ende des Jahres, aber dann wird das ohnehin dem EU-Recht und guten nachbarschaftlichen Beziehungen entgegenstehen.

STANDARD: Sie meinen die Kontrollen zwischen Kärnten und Slowenien?

Brglez: Ja, das ist jetzt wirklich die letzte Periode, in der Österreich das machen kann.

STANDARD: A propos Grenzen. Italien will, dass andere Staaten ihre Häfen öffnen, um Flüchtlingsschiffe aufzunehmen. Wäre Slowenien dazu bereit?

Brglez: Wir haben nur einen einzigen Hafen und das ist Koper und der ist sehr weit weg von Sizilien. Es gibt keine Entscheidung dazu, aber grundsätzlich schließe ich zum jetzigen Zeitpunkt gar nichts aus.

STANDARD: Was braucht es zur Lösung der Flüchtlingskrise in Italien?

Brglez: Das Öffnen von anderen Häfen wird nicht ausreichen, es gibt ja Staaten in der EU, die wollen die Lasten überhaupt nicht tragen. Slowenien will jedenfalls solidarisch mit Italien sein, obwohl es auch bei uns Parteien gibt, die die Grenze zu Italien einfach schließen wollen.

STANDARD: Und ist das vorstellbar?

Brglez: Ich kann schon verstehen, warum manche Parteien das wollen. Aber es kommen ja keine Migranten über die italienische Grenze zu uns. Da ist nichts gefährdet. Also ist die Idee, das so zu machen, falsch. Es ist vielmehr so, dass die Flüchtlinge, die wir aufgenommen haben, nicht bei uns bleiben wollen. Sie wollen weiter in den Norden. Und es gibt Unmut in der Bevölkerung, wenn wir Umsiedlungsprogramme nach Slowenien machen. Aber es gibt eben eine Verpflichtung, hilfreich zu sein.

STANDARD: Was soll man machen, wenn ein Land selbst solidarisch sein will, aber die Flüchtlinge bei der Umverteilung nicht mitmachen wollen?

Brglez: Erstens müssen wir definitiv die Außengrenzen besser schützen. Da wird ja gerade auch investiert.

STANDARD: Sie meinen in die libysche Küstenwache, die die Migranten davon abhalten soll, überhaupt aufzubrechen?

Brglez: Ja, es geht darum, dass es nicht zu einem derartig großen Zustrom kommt und, dass Leute daran verdienen.

STANDARD: Das löst aber noch nicht das Solidarproblem in der EU.

Brglez: Ich denke wir brauchen gemeinsame Integrations-Standards, damit die Unterschiede zwischen den EU-Staaten geringer werden. Das könnte auch die Solidarität erhöhen. Zurzeit reden wir aber nur über Grenzschutz, obwohl wir wissen, dass das nicht ausreichend ist.

STANDARD: Ihre Partei SMC steht in den Umfragen sehr schlecht. Nächstes Jahr werden in Slowenien Wahlen abgehalten. Auf was werden Sie sich nun fokussieren?

Brglez: Das Land ist nach der Finanzkrise wieder auf dem richtigen Weg und die Bürger können im täglichen Leben die wirtschaftliche Prosperität spüren, aber das wird uns noch nichts helfen. Wir werden also versuchen, die wichtigsten Infrastrukturprojekte umzusetzen.

STANDARD: Genau diese – etwa die zweite Zugstrecke zwischen dem Hafen Koper und Divača ist aber blockiert.

Brglez: Ja, es wird dazu im Herbst ein Referendum geben, aber ich glaube nicht, dass sich so viele Bürger dagegen mobilisieren lassen, dass das gestoppt werden kann.

STANDARD: Was wollen Sie bis zu den Wahlen nächstes Jahr noch umsetzen? Offen sind die Gesundheits- und die Pensionsreform.

Brglez: Wir müssen unbedingt das Gesetz über den ärztlichen Dienst verabschieden, damit diese ins Gesundheitswesen aufgenommen werden können. (Adelheid Wölfl, 9.7.2017)