Casey Spooner (rechts) vom US-Künstlerduo Fischerspooner mit Freund im Bett. Das Foto ist Teil der bis Ende Oktober im Keller des Wiener Mumok gezeigten Rauminstallation "Sir".

Foto: Yuki James / Fischerspooner

Wien – So wirklich neu ist die Idee dank technischer Errungenschaften wie Spiegel, Fotoapparat, Klappcomputer oder Taschentelefon natürlich nicht. Die Idee des Selbstporträts ist künstlerisch selbstverständlich auch naheliegend, wenn man davon ausgeht, dass man selbst oft mit ziemlicher Sicherheit die interessanteste Person ist, die man in seinem Leben kennenlernen wird.

Allerdings sind Begriffe wie Original und originell in den gefühlt letzten 30 Facebookjahren auch nicht mehr wirklich das, was ein Selfie in den Zeiten vor seiner technischen Produzierbarkeit war. Die Erkenntnis schließlich, dass schon alles einmal gesagt worden ist, aber eben noch nicht von allen, hat auch schon ein paar Tage mehr auf dem Buckel als Snapchat.

Clubkultur, Schulschikurs und "queer-lustvoller" Kinderfasching

Das in New York ansässige Kunst-, Musik- und Performanceprojekt Fischerspooner ist seit Ende der 1990er-Jahre aktiv. Das Duo aus dem eher im Hintergrund arbeitenden Warren Fischer und Rampenmann Casey Spooner zählt zwischen Clubkultur, popkultureller Referenzverwendungsaffinität, performativer Schulskikurs-Abschlussabend-Gaudi und zynischer New-York-Downtown-Großmäuligkeit zur Gründergeneration jenes laut Wiener Mumok-Folder "queer-lustvollen" Kinderfaschings, mit dem die Stadt gerade wochenlang im Performeum der Wiener Festwochen bespaßt worden ist.

Das Wiener Museum Moderner Kunst bäckt die Torte etwas kleiner. Performance von einer Hälfte Fischerspooner hat es nur zur Eröffnung mittels Karaokeeinlage gegeben. Am Ende der Ausstellung werden Fischerspooner dann am 29. Oktober ein Konzert geben und ihr unter Mithilfe von R.E.M.-Sänger und Exlover Michael Stipe entstandenes neues Album namens Sir vorstellen.

Zappenduster und Rotlicht als Grundfarben

Die im Wesentlichen aus Fototapeten bestehende Ausstellung in einem größeren Kellerraum des Mumok trägt ebenfalls den Titel Sir. Sie ist in den nicht völlig überraschenden Grundfarben Zappenduster und Rotlicht gehalten und präsentiert neben einigen Porträts des in Muckibuden selbstoptimierten Casey Spooner laut Katalog auch "Zufallsbekanntschaften" (mein Gott, dieses Wort) aus dem Internet, aus dem Club oder von der Verkehrsanbahnungsplattform Tinder.

Natürlich ist das alles nicht bloß als schwül-schwule "Rauminstallation" gedacht, mit der man geil im Museum 20 Jahre später oder zu spät popkulturell auch ein wenig Zeitgenossenschaft beweisen will, bevor die 1990er-Jahre mit Techno, Tanzen und lustigen Tabletten endgültig vorbei sind. Immerhin datiert der Club- und Loveparade-Hit von Fischerspooner namens Emerge von 2000. Da wurden inzwischen mitunter sogar Heterofamilien gegründet und Entziehungskuren gemacht.

Mitten zwischen den hier auf Fototapeten zu sehenden Muckis, Ketten, Leder und selbstironischer Mädels-vom-Ballett-Stimmung, aufgenommen in der Wohnung Casey Spooners, steht eine schräggestellte Leinwand als Kern der Schau. Darauf sieht man Spooner und einen Freund in jugendfreier Zeitlupe im Bett herummachen. Die Musik klagt wie ein Blauwal. Der Film läuft rückwärts. Er dauert eine halbe Stunde. Es werden damit die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum thematisiert. Alles, was (nicht) passiert, ist schon einmal geschehen. Das als Info für Leute, die es etwas eilig haben. (Christian Schachinger, 8.7.2017)