Cord Wöhlke wollte eigentlich heute zur friedlichen Anti-G20-Demo gehen.

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Jetzt muss aber einmal aufgeräumt werden.

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Es gibt viel zu tun.

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Ob es noch etwas hilft, bleibt abzuwarten...

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....aber die Schanzenviertel-Bewohner hinterlassen hier schon einmal ihre Botschaft.

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Hamburg – "Wohlfühlstunden" verspricht die Werbung für das neue Duschbad – normalerweise. Jetzt liegen die Flaschen zertreten und zertrampelt am Boden. Dazwischen Papier, schmutziges, zerbrochenes Kinderspielzeug, weiter hinten watet man durch aufgeplatzte Cracker-Packungen. "ACAB", die Abkürzung für "All Cops are Bastards" ist auf die Wand gesprayt, daneben lächelt noch ein Werbepärchen und preist eine neue Hautcreme an.

"Es ist einfach nur Wahnsinn", sagt Cord Wöhlke zum STANDARD. Der Geschäftsführer und Inhaber der bekannten Hamburger Drogeriekette Budnikowsky ("Budni") steht in seinem Laden in der Sternschanze, Straße "Schulterblatt", und blickt schweigend auf die Trümmer. Seit 47 Jahren ist er Geschäftsführer, 81 Filialen gibt es in ganz Hamburg, aber, so Wöhlke: "So was habe ich noch nie erlebt, nicht mal am ersten Mai." Wöhlke spricht sehr ruhig, bewahrt auch in seinem zertrümmerten Laden Contenance, aber seine Worte sind deutlich: "Hier war gestern Abend Krieg."

Außer Kontrolle

Er meint die Nacht vom Freitag auf Samstag, als die Krawalle in der Hanse- und G20-Gipfelstadt völlig außer Kontrolle gerieten. Um 21 Uhr rief ihn eine der zehn Filialmitarbeiterinnen an, um mitzuteilen, dass der Laden geplündert werde. Wöhlke fuhr sofort mit seinem Sohn zum Schauplatz, konnte aber nur noch hilflos zusehen. "Wir hatten den Laden noch verbarrikadiert, aber die Bretter waren von den Randalierern schon herausgerissen worden." Immer wieder rannten Vermummte in den Laden, besprühten die Wände, zertrümmerten die Einrichtung und rissen die Ware aus den Regalen.

"Ich stand nur wenige Meter entfernt und sah zu, wie sie vor dem Laden ein Feuer entzündeten." Die Polizei konnte nicht eingreifen, denn die war gar nicht da. Wöhlke macht ihr das nicht zum Vorwurf: "Ich glaube, die Einsatzleitung hat das Gewaltpotenzial völlig unterschätzt. Die Kräfte im Einsatz kamen überhaupt nicht mehr nach." Jetzt lächelt der Hamburger ein wenig sarkastisch und sagt: "Ich hatte Chaostage in meinem Laden."

Chaoten aus dem Ausland

Aufgefallen ist ihm, dass er kein deutsch hörte, was von vielen Anwohnern ebenso erzählt wird: "Das waren Chaoten aus dem Ausland, unsere Linken hätten nie unsere Scheiben zerschlagen." Die "Rote Flora", das linksautonome Kulturzentrum, liegt nur rund einhundert Meter von der Drogerie entfernt. "Wir hatten noch nie Probleme", sagt Wöhlke. "Irrsinn", sagt auch Nele, die gleich ums Eck wohnt, "wir kaufen hier alle bei Budni, die Kette gehört zu Hamburg."

Auch andere Läden hat es erwischt. Rewe wurde geplündert, bei Vodafone, einer Spielhalle, einem Teeladen sind die Schaufenster zerstört. Aber so schlimm wie in der Drogerie sieht es nirgendwo aus. Anwohner, die einiges an Aktionen gewohnt sind, stehen auf der Straße, der Tenor ist eindeutig: "So etwas geht nicht, das hat überhaupt nichts mehr mit Protest zu tun."

"Krass irgendwie"

Auf den Treppen der "Roten Flora", lungern junge Leute in schwarzen T-Shirts, die dazu auffordern Nazis zu f.... Es ist nicht leicht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. "Hau ab", sagen sie. "No Press", steht auf einem Schild. Eine junge Frau redet dann doch. "Schon krass das irgendwie alles." Aber: "Die Aggression ging ja von der Polizei aus."

Andreas Blechschmidt, Sprecher der "Roten Flora", erklärt im NDR-Interview: "Wir haben den Eindruck gehabt, dass sich hier etwas verselbstständigt hat, dass hier eine Form von Militanz auf die Straße getragen wurde, die sich so ein bisschen an sich selbst berauscht hat – und das finden wir politisch und inhaltlich falsch." Drogerist Wöhlke findet das alles mehr als krass. "Wir schätzen den Schaden auf rund 400.000 Euro." Wer bezahlt? "Wahrscheinlich niemand, wir bleiben wohl darauf sitzen, weil es Vandalismus ist."

Eigentlich wollte er am Samstagnachmittag zur großen, als explizit friedlich angekündigten "Anti-G20-Demo" gehen. Denn er ist auch nicht mit allem einverstanden, was die G20 beschließen. Aber jetzt muss er seinen Laden aufräumen und renovieren. Am Mittwoch schon will er wieder eröffnen. Immerhin eines freut ihn: "Die unglaubliche Solidarität der Bevölkerung." Viele kommen vorbei und sagen, "wir kaufen sofort wieder bei Ihnen ein". Und er hofft, dass diese Gewaltnacht ein Umdenken in der Politik bringt: "Wir dürfen solche Krawalle nicht mehr zulassen. Wenn so viel Gewalt im Spiel ist, dann muss das Versammlungsverbot überdacht werden." (Birgit Baumann, 8.7.2017)