Dreieinhalb Wochen lang ist der türkische Oppositionsführer zu Fuß marschiert, 430 Kilometer, von Ankara nach Istanbul. Kemal Kiliçdaroglu hat durchgehalten. Und was nun? Die autoritäre Herrschaft des türkischen Staatspräsidenten scheint schon so zementiert, dass Kiliçdaroglus "Gerechtigkeitsmarsch" ins Leere läuft: Der Chef der größten Oppositionspartei hat den Beweis angetreten, dass er in Erdogans Türkei noch frei herumlaufen darf, bei Wind und Wetter, wenn es ihm denn beliebt, und mit einem kleinen Schild in der Hand. Das war's.

War es das? Kiliçdaroglu will seine symbolische Aktion in eine politische umwandeln. Er will nicht aufhören mit dem Protest, bis "Gerechtigkeit", bis ein funktionierender Rechtsstaat in der Türkei wiederhergestellt ist. Doch der Oppositionschef sagt selbst: "Wir stehen vor einer Mauer."

Mindestens die Hälfte der Türken stützt noch die autoritäre Herrschaft ihres Staatspräsidenten. Noch hat sie kein Problem mit Tayyip Erdogans Stil – seiner Festlegung, welche Meinung frei ist und welche nicht; seiner Vorverurteilung von Gefangenen wie dem Welt-Korrespondenten Deniz Yücel oder der türkischen Direktorin von Amnesty International, Idil Eser. Das lässt zweifelhaft erscheinen, dass die türkische Justiz noch überhaupt Spielraum hat, anders zu entscheiden, als es der Staatschef für sich bereits getan hat. Doch die Geschichte zeigt: Die Mauern autoritärer Herrschaft stürzen immer ein. (Markus Bernath, 9.7.2017)