2. November 1995: Christian Stumpf jubelt mit Tormann Michael Konsel über ein 4:0 gegen Sporting. Der Büffel hatte im Happel-Stadion zwei Mal getroffen.

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Christian Stumpf im Jahr 2017: "Ich bin zufrieden, mir geht es gut."

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Legendäre Momente I: Am 2. November 1995 gegen Sporting Lissabon.

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Legendäre Momente II: Am 1. Juni 1996 gegen Sturm Graz.

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Wien – "Der Kreis hat sich geschlossen", sagt Christian Stumpf. Das war nicht geplant, als Fußballer ist man von Zufälligkeiten abhängig. Karrieren werden nicht auf Reißbrettern entworfen, sie passieren. Wird man am 24. Dezember 1966 in Linz geboren, lebt man fortan in direkter Konkurrenz mit dem Christkind. Der heute 50-jährige Stumpf hat auch diese Herausforderung angenommen. "Ich bin ja nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen."

Er sitzt im Büro der GWV-Wertstoffvermarktung in Linz-Hörsching, die Firma gehört seinem Spezi Markus Gaisbauer. Arbeitsbeginn ist um sieben Uhr früh, um 16 Uhr ist Schluss, Stumpf koordiniert die mit Altpapier beladenen Lastautos. "Es macht Spaß, ein sicherer Job." Drei- bis viermal die Woche trainiert er am Abend Union Edelweiß Linz, und das seit 2009. Der Verein vergnügt sich in der oberösterreichischen Landesliga, Obmann ist Markus Gaisbauer, sein Spezi. "Es ist schön, gute Freunde zu haben."

1971, Stumpf war gerade fünf, wurde seine fußballerische Begeisterung und Begabung in Bahnen gelenkt, die Eltern meldeten ihn bei der Union Edelweiß an. Christian ist immer schon Stürmer gewesen. "Mein Schuss war echt gut und hart. Ich hatte nur Fußball im Kopf." Linzer Arbeiterkinder unterschieden sich damals deutlich von jenen in Wien, sie kickten auf der grünen Wiese, nicht im grauen Käfig. Stumpfs Papa war Konditor, er ging um drei Uhr in der Früh in die Arbeit, die Mama jobbte in einer Bäckerei. Christians Bruder verstarb 2006 im Alter von 42 Jahren an den Folgen seiner Zuckerkrankheit.

Müller von Linz

Union Edelweiß war also der Anfang, Gerd Müller das Vorbild. Den nannte man "Bomber der Nation", allerdings in Deutschland. Aus Stumpf wurde der "Bomber von Linz". Als Hiesiger hatte man damals die Qual zwischen LASK und Voest, Stumpf machte bei der Voest eine Lehre zum Schlosser, also war ihm der LASK wurscht. "Ich war Blau-Weißer, kein Schwarz-Weißer." 1985 beförderte die Voest den Schlosser zum Fußballprofi. "Ein Traum." Es folgten Engagements bei Flavia Solva, Stahl Linz, Karlsruhe, LASK, Pasching, noch einmal LASK, Sportklub, Austria Lustenau, die Pasching Amateure. All das war nett und ehrenwert, tatsächlich lässt sich die Karriere auf die Zeit von 1995 bis 1998 reduzieren. Er stürmte für Rapid. "Ich durfte es."

Und das kam so: Manager Werner Kuhn hat ihn angerufen, das Interesse an einem Transfer bekundet. "Ich war sprachlos, habe mich ins Auto gesetzt, bin nach Wien gerast. Ohne Details zu kennen, hab ich mir gesagt, das mach ich, das will ich, mehr kannst du vom Leben nicht erwarten. Ich war ja fast 29, ein spätes Glück."

Trainer Ernst Dokupil war von den Qualitäten des Mittelstürmers überzeugt. "Und es begann ein wunderbares Abenteuer." Rapid stellte damals eine echt starke Mannschaft, war amtierender Cupsieger, Michael Konsel, Trifon Ivanov, Peter Schöttel, Didi Kühbauer, Peter Stöger und Andreas Heraf, um nur einige zu nennen, waren die Protagonisten. Im Europacup der Cupsieger wurde ein Lauf gestartet, der erst im Finale in Brüssel mit einem 0:1 gegen Paris Saint-Germain das Ende fand.

Noch davor wurde der Bomber umgetauft. Es war im Training, sie spielten Hösche, Stumpf erwischte keinen Ball. Er gab seltsame Geräusche von sich, es muss eine Art Schnauben gewesen sein, Heraf stellte fest: "Der klingt wie ein Büffel." Fortan wurde er "Büffel" gerufen. Ein Glück, dass er in der Hösche nicht grunzte. "Ich mag den Namen." Mit dem Taufpaten Heraf pflegt er losen Kontakt.

An langer Leine

Stumpf trug die Rückennummer Sieben, Dokupil war einer, der ab und zu weggeschaut hat. Er führte die Mannschaft an der langen Leine. Es blieb folgenlos, dass sich Stumpf eine Stunde vor Anpfiff noch ein Zigaretterl gegönnt hat. Seit 13 Jahren ist er übrigens rauchfrei. Der Büffel fand in Carsten Jancker einen idealen Sturmpartner, die beiden teilten die Tore gerecht auf. "Heute wäre es undenkbar, mit zwei Mittelstürmern zu agieren. Das hat aber funktioniert, es gab keinen Neid."

Es waren legendäre Partien, Stumpf scorte gegen Sporting Lissabon, Dynamo Moskau und Feyenoord Rotterdam. Gegen Sporting traf er kurz vor Schluss zum 2:0, die Verlängerung war erreicht, es sollte ein 4:0 werden.

1996 wurde Rapid Meister, letzte Runde, ausverkauftes Happel-Stadion, der eingewechselte Büffel macht das krönende 2:0 gegen Sturm Graz. "Emotionen, die man niemals vergisst. Dabei war ich immer einer, der sich eher innerlich gefreut hat. Ich bin ein Grün-Weißer, trage Rapid im Herzen." Man qualifizierte sich für die Gruppenphase der Champions League, in diese Zeit fallen auch zwei Länderspieleinsätze. Teamchef war Herbert Prohaska, Stumpf scorte beim 3:5 gegen Nordirland einmal, beim 1:0 gegen die Schweiz null Mal. Zu mehr reichte es nicht. "Die Konkurrenz war mit Toni Polster und Andi Ogris einfach zu groß."

Das Abenteuer Rapid endete mit einem Wadenbeinbruch, die Bilanz tat weniger weh: 78 Ligaspiele, 28 Tore, fünf Cuppartien, fünf Tore, 23-mal Europacup, sieben Tore. Stumpf ließ die Karriere ausklingen, nach drei Bänderrissen musste Schluss sein. Er war fast 39 Jahre alt. "Ja, ich bin zufrieden. Weil es Rapid gab."

Stumpf haftete das Image eines Playboys an. "Eine leichte Übertreibung, aber ich habe auch abseits des Fußballs gelebt. Im Training habe ich immer Gas gegeben. Mein Motto war: Fällst du hin, musst du wieder aufstehen."

Große Konkurrenz

Natürlich sei er nach dem letzten Ball in ein kleines Loch gefallen. Die Trainerlaufbahn war und ist nicht ausufernd, von 2006 an arbeitete er als Assistent von Karl Daxbacher beim LASK. "Auch in diesem Job ist die Konkurrenz groß." Privat hatte er eine teure Scheidung zu überstehen, die Tochter hat maturiert, sie studiert. Die kaputten Bandscheiben haben den Bewegungsspielraum etwas eingeschränkt, das Hobby Tennis ist gestrichen, der Körper reagiert mit Gewichtszunahme. Blad ist der Büffel aber nicht. Die Arbeit mit Union Edelweiß "will ich noch lange machen". Der Kreis soll also geschlossen bleiben.

Um sieben Uhr früh ist Arbeitsbeginn, die Lastautos warten. Irgendwann möchte er im Allianz-Stadion ein Rapid-Spiel anschauen, er war noch nie dort. Sie werden ihn herzlich begrüßen, "Hallo, Büffel" sagen. "Und mir wird es sehr gut gehen, ich mag das." (Christian Hackl, 10.7.2017)